Person des öffentlichen Lesens: Simi Will
In Büchern steckt das Potenzial, unser Leben zu verändern. Hier verraten dir Menschen aus dem öffentlichen Leben, welche Rolle Bücher und Literatur in ihrem Leben spielen.
Person des öffentlichen Lesens: Simi Will
In Büchern steckt das Potenzial, unser Leben zu verändern. Hier verraten dir Menschen aus dem öffentlichen Leben, welche Rolle Bücher und Literatur in ihrem Leben spielen.
Für Simi Will ist Lesen mehr als Worte und Wissen sammeln – Lesen gelinge ihr nur dann, wenn sie sich selbst gut aushalte und die Welt sie mal „gern haben“ könne. Simi ist autonome Fernsehmacherin, Erfinderin und Produzentin von Simi Will TV – die nachhaltige Fernsehshow aus dem Neukoellner Valentinstueberl.
Foto: © Kristin Borlinghaus
Für Simi Will ist Lesen mehr als Worte und Wissen sammeln – Lesen gelinge ihr nur dann, wenn sie sich selbst gut aushalte und die Welt sie mal „gern haben“ könne. Simi ist autonome Fernsehmacherin, Erfinderin und Produzentin von Simi Will TV – die nachhaltige Fernsehshow aus dem Neukoellner Valentinstueberl.
Foto: © Kristin Borlinghaus
Du könntest mit einer Romanfigur einmal die ganze Nacht durchquatschen. Mit wem würdest du das gerne tun und worüber würdet ihr reden?
Das ist leicht, da würde ich mir liebend gerne die Nacht um die Ohren schlagen mit dem Protagonisten aus „Die Zeitmaschine“ von H.G.Wells. Leider hat dieser keinen Namen soweit ich mich erinnere. Er ist Wissenschaftler, mutig und verrückt genug seiner eigenen Erfindung zu vertrauen. Mich würde wahnsinnig interessieren, wie sich Leben im ausgehenden 19. Jahrhundert angefühlt hat. Alle Details, was wurde wie gegessen, getrunken, wie haben sich die Tweedstoffe auf der Haut angefühlt, was war interessant und warum. Wie beschreibt er das Knutschen aus dieser Epoche, was lief sonst so und wie?
Ich würde ihm leider beschreiben müssen, wie beschissen es ist, wenn alle nur noch mit kleinen Geräten kommunizieren und in quadratische Kisten starren dabei rund um die Uhr damit beschäftigt sind schön, schlank, aktiv und jung zu sein.
Mich würde interessieren, was er von unserer Zeit hält. Was ihm an unserer Zeit gefallen würde und was er aus seiner Zeit vermisst. Ich würde auch unbedingt wissen wollen, was er in welcher Zeit für sich und sein Leben mitnehmen konnte aus seinen Zeitreisen und natürlich wäre interessant zu erfahren, ob die Beziehung zu der bezaubernden Lady aus dem Volk der Eloi irgendwie weitergegangen ist. Schliesslich ist er ja von seiner zweiten Reise in die Zukunft nicht zurückgekehrt in sein Jahr 1895.
Welchen Ort verbindest du auf besondere Weise mit Literatur? Dieser kann real, virtuell oder ausgedacht sein.
Das Bett meiner Oma Franziska, die oben in meinem Elternhaus wohnte. Immer, wenn ich nachts Alpträume hatte als Kind hat meine Mutter mich zur Oma geschickt. Die Oma hat mir dann Märchen vorgelesen. Märchen von den Gebrüdern Grimm natürlich – komisch, die waren ja meist auch sehr gruselig, aber so faszinierend zugleich, dass ich dabei den „Ursprungsgrusel“ wohl vergessen habe.
Die Ausgabe der Grimmschen Märchen im Besitz meiner Oma war so alt, dass ich immer dachte, dass die Zeichnungen darin die Originalszenen festgehalten hatten … so wie ich auch früher dachte, dass aus dem alten 50-er Jahre Radio nur die Musik aus dieser Zeit gespielt werden könnte.
Und meine Oma Franziska war im Besitz eines fetten bordeauxroten Lexikon mit bestimmt tausend Seiten und meine Schwester, unsere Freundinnen Doris und Silvia, wir haben mit diesem enormen Schinken heimlich „heilige Messe“ gespielt und die Backoplaten als Hostien dazu aus dem Küchenschrank meiner Oma geklaut.
Also mein erster Ort für Bücher war oben bei meiner Oma Franziska – von ihr bekam ich auch mein erstes Lieblingsbuch „Lotta zieht um“ von Astrid Lindgren geschenkt.
Gib den kommenden 6 Monaten deines Lebens einen eigenen Romantitel!
Das Glück kurz vor Abspann
Ein Mensch, der dir nahesteht, ist kürzlich ausgewandert. Welches Buch schickst du ihm als Erinnerung an dich?
Nur eins? – geht leider nicht
a) meine Tagebücher der letzten 15 Jahre
b) Jonathan Franzen: „Wann hören wir auf uns etwas vorzumachen“
c) Ferdinand v. Schirach: „Jeder Mensch“
d) Herbert Rosendorfer: „Briefe in die chinesische Vergangenheit“
Und, wenn der Mensch zufällig in die USA gewandert ist, dann zwingend noch:
e) Susan Neiman: „Von den Deutschen lernen- wie Gesellschaften mit dem Bösen in ihrer Geschichte umgehen können“ – ein soziologisches Roadmovie zu mehr Gesellschaftsverständnis
Beende den Satz: Lesen ist für mich …
… purer Luxus, denn wenn ich lese, bin ich einfach da, im Jetzt und froh.
Es ist wie als ob ich die Lesezeit dann am liebsten einschliessen würde, damit sie da bleibt. Leben fühlen.
UND – ich lese an gegen zu viel Seriengucken. Aus aktuellem, pandemischem Anlass hab ich mir angewöhnt täglich ein Seitenpensum zu lesen, denn dann darf ich wieder gucken. Lesen ist Luxus und Liebe für mein Leben.
Simi Will
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