Bindungsstile verstehen: Die besten Bücher über Attachment, Heilung & sichere Beziehungen
Was, wenn die Schmetterlinge in deinem Bauch gar kein Zeichen für große Liebe sind, sondern für deine Verlustangst? Was, wenn das Chaos in deinen Beziehungen weniger mit den falschen Menschen, sondern mehr mit deinem Nervensystem und deinen Bindungsmustern zu tun hat? Klingt erstmal hart. Aber für mich war genau das ein Aha-Moment. Und vielleicht ist es auch ein guter Einstieg für dich.
Attachment Styles sind mehr als ein Hype
Vor ein paar Jahren kannte ich nur die Begriffe „sicher gebunden“ und „unsicher gebunden“. Das galt irgendwie als Allgemeinwissen und bezog sich auf das, was man als Kind von den Eltern oder engen Bezugspersonen mitbekommen hatte. Danach richtete sich, wie viel Vertrauen und Nähe im späteren Leben möglich schien.
Erst durch den Bindungsklassiker Attached von Heller und Levine verschob sich meine Wahrnehmung. Plötzlich ging es nicht mehr nur um „sicher“ oder „unsicher“, sondern um verschiedene Bindungsstile, ihre Eigenschaften und darum, was ich selbst tatsächlich verändern kann.
Zu verstehen, warum wir uns in Beziehungen so verhalten, wie wir es tun, welche Muster wir immer wiederholen und wieso uns manchmal genau die Menschen anziehen, die uns nicht guttun: Das alles hat mein Dating, meine Kommunikation und sogar meine Freundschaften tiefgreifend verändert.
In diesem Artikel stelle ich dir Bücher vor, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Einige sind wissenschaftlich fundiert, andere sehr praxisnah, manche bisher nur auf Englisch erhältlich. Die Qualität der Bücher variiert zugegebenermaßen.
Warum wir immer wieder dieselben Muster wiederholen
Besonders wichtig ist mir ein intersektionaler Blick. Das heißt: Wir können Bindung nicht nur individuell und psychologisch betrachten, sondern müssen auch gesellschaftliche Faktoren mitdenken, wie Geschlecht, Klasse, Rassismus, Sexualität oder kulturelle Prägungen.
Beziehungsmuster entstehen nicht im luftleeren Raum, sondern sind eng mit unseren Körpererfahrungen, unserer Sozialisation und unseren Lebensrealitäten verknüpft. Bücher, die diesen Zusammenhang berücksichtigen, geben uns tiefere und oft auch heilsamere Antworten.
Vielleicht findest du hier Inspiration für deinen eigenen Weg. Am Ende erzähle ich auch, welche Erkenntnisse aus der Bindungstheorie mich persönlich am meisten geprägt haben.
Bücher über Attachment Styles: So verstehst du deinen Bindungsstil
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Attached: Warum wir uns immer in den Falschen verlieben von Levine & Heller
Attached von Levine & Heller (deutscher furchtbarer Titel: Warum wir uns immer in den Falschen verlieben) ist DER Bindungsklassiker. Dieses Buch hat für mich alles verändert, was ich über Dating und Beziehungen wusste. Plötzlich wurde mir klar, warum ich immer wieder an denselben Typ Menschen gerate und warum manche Begegnungen regelrecht meinen Herzrhythmus durcheinanderbringen. Levine und Heller erklären nicht nur, welche Bindungsstile es gibt, sondern auch, wie wir die eigenen Muster erkennen und bewusst steuern können. Für alle, die Lust haben, ihre Beziehungen tiefer zu verstehen und Schmetterlinge im Bauch einordnen zu lernen, ist „Attached“ ein Gamechanger. ZUM BUCH
Voll verbunden: Bindungstypen verstehen, Beziehungen stärken von Eli Harwood
Letzten Sommer in Rumänien habe ich mich mit “Securely Attached”, dem Workbook von Eli Harwood, eingeschlossen. Naja, „eingeschlossen“ klingt dramatisch, eigentlich saß ich viel draußen, aß cremiges Schokoladeneis und beantwortete gewissenhaft jede Frage. Eli Harwood nimmt dich mit auf eine Reise durch deine eigenen Beziehungsmuster: Wer bist du in Beziehungen? Welcher Bindungstyp steckt in dir und wie wirkt sich das auf deine Dates, Freundschaften oder Partnerschaften aus? Für mich war es wie eine Mischung aus Selfcare, Detektiv*innenarbeit und Therapie zum Mitmachen. Ich konnte plötzlich besser verstehen, warum mich manche Begegnungen triggern, andere beflügeln und vor allem, wie ich bewusst anders handeln kann. Harwood schreibt persönlich, sympathisch und nachvollziehbar. Ich mochte dieses Buch sehr gern. ZUM BUCH
Das Gute an (schl)echtem Sex: Wie Bindung, Kink und Konsens uns den Arsch retten können von Dr. Stephanie Kossow
Bindungstheorie spielt natürlich auch in unserer Sexualität eine große Rolle. Ich musste nur den Titel lesen, um zu wissen: Das wird spannend. Dr. Stephanie Kossow verbindet Sex, Kink und Bindung auf eine Weise, die klarmacht: Es geht nicht nur um Lust, sondern um echte emotionale Verbindung. Wir lernen, unsere eigenen Muster zu erkennen, Nähe und Grenzen klar zu kommunizieren, Konsens wirklich zu leben und Bedürfnisse offen zu äußern. Wann halte ich mich zurück? Wo traue ich mich nicht, Grenzen zu setzen? Und wo kann ich endlich offen sagen, was ich will? Feministische Aufklärung trifft hier auf Beziehungsarbeit und Praxis-Guide zugleich. Du bekommst Einblicke in BDSM, Kink und vor allem Werkzeuge, um dein Liebesleben bewusster, erfüllter und selbstbestimmter zu gestalten. Meine ganz persönliche Empfehlung. Auch, um dir endlich diese kinky Phantasien zu erlauben und endlich mal auszuprobieren. ZUM BUCH
Polysecure und das Polysecure Workbook von Jessica Fern
Im Divana-Verlag erscheinen auch die deutschsprachigen Werke von Jessica Fern. In der nicht-monogamen Community kommt man an Polysecure kaum vorbei. Das Buch ist ein Klassiker: Es verbindet die Erkenntnisse der Bindungsforschung mit den Realitäten non-monogamer Beziehungen und zeigt, wie Bindung, Traumaverständnis und das HEART-Modell helfen, sichere und erfüllende Verbindungen zu gestalten. Selbst wenn du „nur“ eine romantische Beziehung führst, liefert es wertvolle Impulse, um Beziehungen bewusster und erfüllender zu leben. ZUM BUCH und ZUM WORKBOOK
Anxiously Attached von Jessica Baum
Jessica Baum ist Therapeutin und beschreibt in Anxiously Attached sehr klar und einfühlsam, wie sich der ängstlich-ambivalente Bindungsstil anfühlt: das Grübeln, die Angst vor dem Verlassenwerden, das Klammern und gleichzeitig aber auch dieses tiefe, wunderschöne Bedürfnis nach Nähe. Was ich an dem Buch liebe: Baum bleibt nicht bei der Theorie stehen. Sie gibt dir praktische Tools mit, die dir helfen, innere Sicherheit aufzubauen. Viel dreht sich um das Nervensystem, um Selbstregulation und darum, wie du Schritt für Schritt lernst, in Beziehungen nicht mehr nur von Angst gesteuert zu sein, sondern wirklich in Verbindung zu treten. Das Ganze ist sanft und gleichzeitig empowernd geschrieben, eben wie eine gute Therapeutin, die dich an die Hand nimmt. ZUM BUCH
Vom Jein zum Ja! von Stefanie Stahl
Stefanie Stahl ist eine der bekanntesten Ratgeber-Autorinnen im deutschsprachigen Raum, wenn es um die Inneres-Kind-Arbeit geht. Ich habe selbst ihr Buch Das Kind in dir muss Heimat finden gelesen und ich verstehe, warum so viele Menschen damit einen Zugang finden. Gleichzeitig sehe ich aber auch die Kritik: Dass sie komplexe Sachverhalte sehr vereinfacht und mit einfachen Schablonen wie Sonnen- und Schattenkind arbeitet. Gerade beim Thema Bindungsangst wünsche ich mir manchmal mehr Tiefe und Grautöne. Wir sind ja heute erwachsen und nicht nur innere Kinder, wir müssen Entscheidungen in einer komplexen Welt treffen. Trotzdem: Wenn dir Stahls direkte, praktische Sprache gefällt, dann wirst du auch in Vom Jein zum Ja Denkanstöße finden. Ich empfehle dir aber, vorher in eine Leseprobe reinzuschauen, um zu spüren, ob dieser Ansatz zu dir passt. ZUM BUCH
Heilung finden, Trigger verstehen und Trauma verarbeiten
Nach den theoretisch und praxisorientierten Büchern über Bindungsstile kommen nun Werke, die weniger explizit über Attachment schreiben, aber das Heilen von Bindungswunden stark unterstützen. Sie öffnen den Blick für gesellschaftliche und politische Zusammenhänge, Trauma, queere und PoC-Perspektiven sowie emotionale Selbstregulation – Themen, die alle direkt mit unseren Beziehungsmustern verbunden sind.
Mutterhunger von Kelly McDaniel
Dieses Buch hat mich an einer ganz anderen Stelle abgeholt. Kelly McDaniel schreibt über das, was wir in unserer Kindheit gebraucht hätten: Schutz, Fürsorge und Führung. Was passiert, wenn eines davon fehlt? Mutterhunger benennt leise, oft unsichtbare Wunden, die wir ins Erwachsenenleben tragen und die unsere Beziehungen, unser Essverhalten oder sogar unseren Selbstwert beeinflussen können. Für mich ein Buch voller Aha-Momente, die manchmal schmerzhaft waren, aber gleichzeitig unglaublich tröstlich. McDaniel zeigt Wege, Heilung zu finden und liebevoller mit den eigenen Bedürfnissen umzugehen. Für dich, wenn du tiefer verstehen möchtest, wo Bindung eigentlich beginnt. ZUM BUCH
Be Not Afraid of Love von Mimi Zhu
Mimi Zhu, queer und PoC, schreibt über Angst, Nähe und Beziehungen, nicht nur romantische, sondern auch Freundschaften und die Verbindung zu dir selbst. Their Buch kombiniert sehr persönliche Erfahrungen, Reflexionen und praktische Einsichten, die helfen, alte Muster zu erkennen und bewusster mit Nähe umzugehen. Ein vielschichtiges und ehrliches Buch, das zeigt, dass Liebe auch dann möglich ist, wenn wir verletzlich sind. ZUM BUCH
My Grandmother’s Hands: Racialized Trauma and the Pathway to Mending Our Hearts and Bodies von Resmaa Menakem
Resmaa Menakem ist ein Schwarzer Psychotherapeut und Autor, der sich intensiv mit racialized trauma, Körpererfahrungen und intergenerationalen Mustern auseinandersetzt. Auch wenn er nicht explizit über Attachment Styles im klassischen psychologischen Sinn schreibt, sind seine Bücher hochrelevant für die Diskussion über Beziehungsdynamiken, Trauma und Heilung. Besonders eindrücklich ist seine Perspektive auf Körperwahrnehmung, Nervensystem und das Erleben von Sicherheit versus Unsicherheit in Beziehungen. Menakem macht deutlich, dass Bindung nicht nur ein individuelles, sondern auch ein sozial-kulturelles und körperlich verankertes Thema ist. ZUM BUCH
Getriggert? von Anouk Algermissen
Eines meiner großen Ziele in meinen Partner- und Lover*innenschaften ist Gelassenheit. Streit ist schon auch mal wichtig, aber oft werde ich durch patriarchale Muster so getriggert, dass ich ständig dysreguliert und aufgewühlt bin. Das Problem habe ich nicht erst durch Getriggert? erkannt, aber hier gab es dankenswerterweise Verständnis (weniger für feministische Themen, aber sehr für meine psychologischen Herausforderungen). Getriggert? passt gut ans Ende dieser Liste, weil es nicht nur erklärt, wie wir Nähe suchen oder vermeiden, sondern auch, wie unser Nervensystem reagiert, wenn wir uns unsicher fühlen. Anouk Algermissen zeigt, wie wir lernen können, mit starken Emotionen umzugehen, statt in alte Muster (Klammern, Rückzug, Drama) zu rutschen. ZUM BUCH
Noch ein Bonus für dich … ein Attachment quasi:
Wenn wir über Heilung sprechen, dann geht es nicht nur um uns als Einzelne, sondern auch darum, wie wir als Gesellschaft mit Verletzungen, Verantwortung und sogar Täter*innenschaft umgehen. Denn auch die, die verletzt haben, ob im persönlichen oder im gesellschaftlichen Kontext, brauchen Räume für Heilung und Transformation, wenn wir als Kollektiv weiterkommen wollen. Ein wunderbarer Ressourcentipp dazu ist das Queer Attachment Zine von Leah Jo Carnine und Fizz Perkal. Es bringt Bindungstheorie, Heilung und Community Care zusammen. Mit einem klaren Blick auf Macht, Trauma und Gerechtigkeit. ZUM KOSTENLOSEN ZINE
Weitere Bücher über Bindungstheorie und Beziehungsmuster
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Secure Relating. Holding Your Own in an Insecure World von Ann Kelley und Sue Marriott
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Warum halte ich noch fest. Wege aus traumatischen Bindungen von Kelly Skeen und Dr. Michelle Skeen PsyD
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Attachment Style Makeover: A Workbook For Transforming Relationship Patterns von Miranda Campbell und Jessica Harris
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The Anxious Person’s Guide to Non-Monogamy: Your Guide to Open Relationships, Polyamory and Letting Go von Lola Phoenix
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The Attachment Solution. How to develop secure, strong, and lasting relationships von Charisse Cooke
- New Love Same Shit von Yvi Blum
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Coming Soon: Safe. An Attachment-Informed Guide to Building More Secure Relationships von Jessica Baum
Probiere selbst, die Muster in deinen Beziehungen zu erkennen! Du bist es wert, schöne und sichere Beziehungen zu führen.
Mein Weg vom disorganized zum secure Attachment
Ich selbst erkannte mich früher im disorganized attachment style (Nähe wird gesucht, gleichzeitig gefürchtet.) wieder. Nicht die angenehmste Kategorie, zugegeben. Aber: Wissen verändert alles. Ich arbeite kontinuierlich daran, secure (der ausgeglichenste Bindungsstil) zu werden und spüre, dass ich dort inzwischen auch schon zu einem großen Teil angekommen bin.
Trigger erkennen und verstehen
Vor ein paar Jahren hatte ich eine Begegnung, die mir die Theorie plötzlich sehr nah brachte. Ich lernte ihn beim Tanzen im Kitkat kennen, obwohl wir eigentlich schon Sex hatten, bevor wir uns richtig begegneten. Aber es knisterte hart und wir trafen uns ein paar Tage später bei Tageslicht wieder, aßen vegane Dumplings, spazierten, redeten über alternative Beziehungsformen, Literatur, klassische Musik. Super intensiv, super romantisch.
Dann erzählte er mir, dass er seit über zehn Jahren keine Beziehung mehr gehabt habe und nur mit klaren „Schmetterlingen im Bauch“ bereit sei, sich einzulassen. Ich hatte sie schon: ausgelöst durch seine distanzierte Kommunikation im Chat, die Mixed Messages und diese mysteriöse Edward-aus-Twilight-Aura.
Mein Nervensystem war längst im Ausnahmezustand. Genau hier entschied ich mich, es zu beenden. Ich ahnte, dass er avoidantly attached war (vermeidend gebunden: Menschen, die Nähe oft vermeiden oder sich emotional distanzieren) und wusste, das würde bei mir zu viel Unruhe, Unsicherheit und Zweifel triggern. Lieber Klarheit, als wieder in ein Spiel aus Hoffen und Warten einzusteigen.
Heute begegnen wir uns manchmal noch im Club. Wir tanzen ein bisschen, flirten harmlos. Mehr muss nicht sein. Ich weiß, was mir guttut.
Was ich aus Bindungsstilen für meinen Alltag lerne
Bindungsstile und das damit verbundene Verhalten besser zu verstehen, prägt heute ganz konkret mein Leben: Wen ich date (ciao, Avoidant!), wie ich kommuniziere (offener, direkter) und welches Verhalten ich akzeptiere (welcome, Care!) und welches nicht (No disrespect!). Klar, manchmal ertappe ich mich selbst noch in alten Mustern, mal distanziert, mal ängstlich. Und ja, manchmal merke ich auch: Die Red Flag mit toxischem Verhalten bin ich selbst. Die Hölle, das sind nicht nur die anderen. Der Unterschied ist: Heute erkenne ich es früh und kann bewusst gegensteuern.
Vielleicht bist du selbst secure, vielleicht anxious, vielleicht vermeidest du Nähe oder erkennst dich in einem wilden Mix wieder. Alles okay. Entscheidend ist, wie du damit umgehst. Für mich war das Wissen über Bindungstypen ein Schlüssel, Beziehungen endlich klarer und friedlicher zu sehen.
Wenn du Lust hast, tiefer in deine eigenen Bindungsmuster einzutauchen, schau dir unbedingt die Buchliste an. Viel Freude beim Lesen!