Du musst deine Eltern nicht retten!
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Titel: Töchter
Autorin: Lucy Fricke
Verlag:
Familienthemen. Puh. Für manche bedeutet das harter Tobak. Und gerade wenn es um die eigenen Eltern geht, dann scheuen viele von uns schon mal gerne die Auseinandersetzung. Wir sind aber alle Töchter und Söhne und die familiären Beziehungen haben ihre Spuren in unserem Leben hinterlassen. Auf besonders eindringliche Weise beschreibt das die Schriftstellerin Lucy Fricke in ihrer Road-Novel “Töchter”. Ein Buch, dessen Lektüre uns einiges über uns selbst lehrt.
Die Beziehung zu unseren Eltern
In einem Interview mit dem legendären Denis Scheck, gibt Fricke spannende Einblicke, wie die Idee zu “Töchter” entstand. Eigentlich wollte sie einen Roman über “zwei normale aber irgendwie coole Frauen” schreiben, die miteinander reden. Das allein wäre aber noch keine nennenswerte Story, so lautete ihr eigenes Urteil.
Herausgekommen ist ein Werk, das von Freundschaft handelt, von Berlin und der Generation 40+ und vor allem von den Beziehungen zweier Töchter zu ihren Vätern und Müttern.
Was sind wir ihnen schuldig?
Marthas Vater möchte sterben. Das sagt er so seiner Tochter und drängt sie, ihn in die Schweiz zu fahren, um dort Sterbehilfe zu erhalten. Keine leichte Situation. Eine ziemlich traurige sogar. Trotzdem lassen sich Betty und Martha auf diesen Road-Trip ein und begegnen dabei sich selbst und ihren ganz eigenen Bedürfnissen.
Eines dieser Bedürfnisse ist zweifelsfrei, ihre Eltern und die Beziehung zu ihnen besser zu verstehen. Da spielen Vorwürfe mit rein, Enttäuschungen, selbstverständlich Erwartungen und das Gefühl, vieles falsch gemacht zu haben.
“Was habe ich eigentlich falsch gemacht?”, fragte Martha. “Ich habe ständig das Gefühl, nicht zu genügen.” Ich ging davon aus, dass wir die erste Generation von Frauen waren, die machen konnte, was sie wollte. Das hieß aber auch, dass wir machen mussten, was wir wollten, und das wiederum bedeutete, dass wir etwas wollen mussten. Dafür hatten unsere Mütter gekämpft. Wir sollten unsere Träume verwirklichen, wir mussten welche haben, das Scheitern wurde uns zugestanden, aber erst nachdem alles, wirklich alles versucht worden war auf dem Weg zum Glück, Psychoanalyse eingeschlossen.”
Mit Lachtränen gegen die Verbitterung
Trotz schwerfälliger Gedankentiefe, ist “Töchter” ein unterhaltsamer, oft sogar witziger Roman (Denis Scheck trieb er wohl Lachtränen in die Augen), der zeigt, dass uns mit Schuldzuschreibungen und Selbstvorwürfen wenig geholfen ist. Und obwohl wir unseren Eltern so vieles sagen wollen, Rechtfertigungen wünschen und strenge Kritik üben – trotz alledem, wollen wir unsere Eltern auch glücklich sehen, ihnen etwas zurückgeben, sie vielleicht sogar retten.
Geht das denn? Und sollten wir das?
“Diese Gespräche waren ein Ritual, welches wir nur noch selten vollführten. Es war so sinnlos wie schmerzhaft.”
Es ist nicht deine Aufgabe. Du hast dein Leben, sie ihres. Auch wenn wir die Beziehung zu unseren Eltern in jedem Alter unterschiedlich bewerten, manches werden wir wohl nie ganz verstehen. Und das ist okay.
Lust auf das eigene Leben
“Töchter” von Lucy Fricke macht Lust auf das eigene Leben. Lust, sich von Erwartungen zu befreien und zu großen Teilen diese Verantwortung abzuschütteln, die auf unseren Schultern lastet. Warum sollten wir sie denn weiter mit uns rumtragen? Das sind wir niemandem schuldig.
Sind Betty und Martha “normal”? Berlin-normal, sagen sie selbst. Das brachte mich zum Schmunzeln. Eine schöne Lektüre. Nicht für den Strand, aber für den Geist. Ein Road-Trip eben, der bewegt.