fbpx
Oh schön! Ein grünes Buch. Hatte ich gedacht.

So ein schönes Cover. Hatte ich gedacht.

Das strahlt gleich soviel Optimismus und Leichtigkeit aus. Hatte ich gedacht. Und schon war es in meinem Korb.

Nichts – weder die Aufmachung, noch die kleinen Textfetzen, die das Buch auf der Rückseite beschreiben und bewerben – deuteten auf das hin, was mich bei meiner Lektüre erwarten sollte.

Von Erwartungen und anderen Lastern

Ich rolle jetzt mit den Augen und schmunzele dabei ein bisschen. “Der Dichter der Familie” von Grégoire Delacourt ist ein schönes Buch, kein zartes, träumerisches wie ich vielleicht erwartet hatte, aber ein nachdenkliches, kluges und trotz allem inspirierendes.

Und schließlich geht es auch um Erwartungen.

Darum, diese nicht erfüllen zu können. Sie nicht erfüllen zu wollen. Und darum, Erwartungen anderer ausgesetzt zu sein, sich ihnen nicht entziehen zu können und unter ihrer Last zu leiden.

Wenn ich ein Buch hier auf Literaturpower vorstelle, dann immer mit einem bibliotherapeutischen Fokus. Ich überlege schon beim Lesen, welche Aspekte im Buch unterstützen meine Leserinnen und Leser bei einer bestimmten Herausforderung (manchmal gibt es keine, dann lege ich das Buch wieder weg).

Ich sehe mich in diesem Sinne nicht als Literaturkritikerin. Und dennoch lese ich vor jedem eigenen Artikel, was andere Menschen von diesem Buch halten und darüber schreiben. Mit Erwartungen muss auch der französische Autor Delacourt kämpfen.

Sein Werk “Der Dichter der Familie” ist laut Wikipedia seine erste Veröffentlichung in Frankreich, die jedoch erst nach seinen neusten Erfolgen auch in Deutschland veröffentlicht wurde. Inwiefern nun eine Entwicklung stattfand, kann ich leider nicht beurteilen, da ich die anderen Werke nicht gelesen habe.

Menschen, die diese Werke kennen, äußern im Internet jedoch eine gewisse Enttäuschung über “Der Dichter der Familie”. Ihre Erwartungen wurden nicht erfüllt. Ich lasse an dieser Stelle einfach mal außen vor, welche Erwartungen das sind. Meine bibliotherapeutischen Erwartungen wurden nicht enttäuscht und darum soll es ja schließlich an dieser Stelle gehen.

Wenn Erwartungen dein Leben bestimmen

Also zurück zum Buch. Unsere Hauptfigur Édouard kommt als Siebenjähriger in den Genuss große Bewunderung für ein eigenes Gedicht auf sich zu ziehen. Sein Talent wird von der Familie erkannt und mit diesem Moment ist alles besiegelt.

Mit sieben erlebte ich meinen ersten literarischen Erfolg. Die erwähnte Mama schloss mich in die Arme. Der Papi, die Oma und der Opi applaudierten. […] Mit vier armen Reimen war ich zum Dichter der Familie geworden. Mit acht hatte ich nichts mehr zu schreiben.

Den Erwartungen der Familie möchte Édouard sich nicht beugen, er kann es vielleicht gar nicht. Im Internat fällt er negativ auf, zu Hause leidet er unter den Familienverhältnissen. Die Psychoanalyse, die den jungen Edouard stärken soll, nützt wenig:

“Unsere zwei halben Stunden pro Woche verliefen mit derselben höflichen Langeweile; ich warf ihm ein paar abgenutzte Worte hin, er machte sich ein paar erschöpfte Notizen.”

In den letzten Wochen habe ich eine Vielzahl an Büchern über Probleme in der Familie gelesen und vorgestellt. Auch “Der Dichter der Familie” gibt für jene familiären Herausforderung viel her, aber dieses eine Mal werde ich darauf nicht näher eingehen.

Es soll um Édouard gehen und sein Verhältnis zu den eigenen Bedürfnissen, Wünschen und Träumen. Es geht sehr viel ums Geben und darum, dass Édouard schreiben soll. Das Wörtchen “um” spielt hier eine wichtige Rolle.

Immer schreiben, “um” etwas zu tun: Den Vater von der Depression heilen, die Mutter über den Verlust des Großvaters hinwegtrösten, der Freundin zu Ruhm und Ehre verhelfen.

“Papa, sucht man sich sein Leben aus, oder sucht das Leben sich einen aus? Antworte mir, das ist wichtig.”

Aber der Vater antwortet nicht, er kann es nicht und so fehlt immer eine Beziehung in seinem Leben, die für ihn doch so wichtig gewesen wäre. Er bekommt keine Antworten, dafür bleiben die Erwartungen: Der Vater “erwartete weinend ein Buch, das ich nicht geschrieben hatte. Er hoffte, ich hätte das letzte Wort.

Die Kommunikation mit dem Vater ist beklemmend, seine Beschreibungen der Ehe mit Monique trübsinnig. Die ganze Geschichte wird von einer Melancholie beherrscht, die – das sage ich an dieser Stelle einfach ganz frech – von der Verkopftheit des Autors zeugt.

Das kenne ich schon gut von der französischen Literatur. Ich mag sie – viel mehr als französisches Kino zu dem mir leider trotz intensiven Romanistikstudiums der Zugang fehlt.

Beim Verfassen dieses Artikels fühle ich mich immer noch etwas beklommen. “Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.” Schrieb einst Franz Kafka.

Für mich ist “Der Dichter der Familie” so eine Axt. Ich kann gar nicht im Detail beschreiben, warum und es ist auch nicht immer angenehm mit so einer Axt drauflos zu hämmern. Doch je mehr gehämmert wird, desto deutlicher wird die dicke Kruste an Erwartungen, die wir selbst schüren, die unsere Umwelt schürt und die wir zugelassen haben, unser Leben zu ummanteln.

Es ist schwierig eigene Erwartungen loszulassen. Ich würde jedoch behaupten, dass es noch viel schwieriger ist, die Erwartungen anderer zu hinterfragen und beiseite zu tun. Und wie ist es erst um unsere ganz eigenen Erwartungen an andere bestellt?

Wen drängen und bedrängen wir mit unseren Ansprüchen, Hoffnungen und Forderungen?

Ein Buch vermag kaum, all das aufzuheben, was Sozialisierung, Familienleben, Schule und Berufswelt in uns geprägt haben. Es kann dir deine Erwartungen nicht nehmen und auch nicht verhindern, dass du unter der Last der Erwartungen anderer leidest. Es kann aber trotzdem sehr viel und dich auf den richtigen Weg bringen.

Lesen sensibilisiert die Wahrnehmung.

Manchmal vermag es ein Buch so zu berühren, dass wir bereit sind, auch auf das eigene Erleben zu schauen und “Der Dichter der Familie” ist in meinen Augen ein solches Werk.

Ohne Kitsch, Pathos und Rührseligkeit – ja vielleicht sogar mit übertriebener Härte an manchen Stellen – wird hier die Axt geschwungen.

Trotz meiner enttäuschten Erwartungen über das Cover bleibt nach der Lektüre ein Stück Beseeltheit zurück. Fremde Erwartungen lassen sich nicht gänzlich ausblenden, aber sie wahrnehmen und mit ihnen einen bewussten Umgang pflegen – das wäre doch schon eine Leistung.

Wenn du deine eigenen Bedürfnisse noch nicht ausgemacht hast, dann begib dich jetzt auf die Suche. Ich hoffe, dass “Der Dichter der Familie” dir dabei helfen kann.

Schau dir das Buch bei Amazon an!

Wenn Familie weh tut

Familie. Die Vielschichtigkeit dieses Begriffs muss nicht erwähnt werden. Den einen ist sie Freud, den anderen Leid und hin und wieder verschmelzen beide Ebenen, sodass sie kaum noch zu unterscheiden sind.

5 Bücher über Polyamorie, die dein Lieben verändern werden

Wie lieben wir im 21. Jahrhundert? In diesem Artikel stelle ich dir fünf Bücher vor, die deine Perspektive auf die Liebe und deine Beziehungen verändern werden.

Was tun bei Depressionen und Angst? Diese Graphic Novel hilft weiter.

Oft fällt es Betroffenen nicht leicht, Hilfe anzunehmen und über ihre Probleme zu sprechen. Ein feinsinniges, verständnisvolles und empathisches Buch kann die nötige Kraft vermitteln, die es braucht, weitere Schritte einzuleiten.

Wo ist dein Platz in dieser Welt?

Vielleicht wollen wir nicht, dass uns jemand vorschreibt, was wir tun und lassen sollen. Aber manchmal einen Mensch an der Seite, der uns ein bisschen die Richtung weist …

Warum machst du dir eigentlich solche Sorgen?

“Sorgen sind wie ein Schaukelstuhl. Sie halten dich beschäftigt, aber du kommst nicht voran.” In diesem Artikel wird es um solche Sorgen und das damit verbundene Grübeln gehen. Darum, warum sich die vielen Sorgen oft nicht lohnen und wie wir das Leben stattdessen angehen können.

Wie du dir deine Liebe bewahrst

Verliebt sein, Händchen halten, sich gegenseitig stützen und Bewunderung zeigen, kleine Geschenke machen, die Partnerin überraschen, den Partner verwöhnen: Liebe hat viele Facetten. Doch wie können wir sie bewahren, wenn Alltag und Routine Einzug halten?

Zuversicht ist gut, Selbstvertrauen ist besser

”Lass das sein, das wird eh nichts!” Autsch! Sowas zu hören, tut weh! Und trotzdem sagen wir ähnliche Sätze immer mal wieder zu anderen und – viel schlimmer noch – zu uns selbst. Überwinde solche Grenzen und fang endlich an, an dich zu glauben!

Die größten Versager sind die erfolgreichsten!

Eigentlich haben Niederlagen und Fehlentscheidungen in unserer leistungs- und wachstumsorientierten Welt ja wenig Raum. Denkt man zumindest. Die Wahrheit ist, das Gegenteil ist der Fall.

Struktur: Wieviel brauchst du?

Was gibt dir Struktur in deinem Alltag? Sind es Routinen, die du dir bewusst eingebaut hast? Ist es die Arbeit, an deren zeitliche Festlegungen du dich notwendigerweise hältst? Wie resilient bist du, wenn es um die Bewältigung von Krisen geht und wieviel Halt brauchst du überhaupt im Leben?

Leben lernen: Bring Farbe ins Spiel!

Schaust du auch manchmal in den Spiegel und fragst dich, ob dieses Leben noch dein eigenes ist? Kommst du da überhaupt hinterher, bei all den Emails, Terminen und Verpflichtungen? Farbe macht unser Leben nicht nur bunter, sondern auch lebenswerter. Probier es aus!

Pin It on Pinterest