Verletzlich und doch stark sein
Wenn du nicht viel Zeit hast, um den ganzen Artikel zu lesen: Es geht um dieses wunderbare Buch!
Klicke auf das Bild, um dir „Queenie“ auf Amazon anzusehen.
Für wen möchtest du nochmal stark sein? Für deine Kinder, deine Familie, deine Chefin oder die Gesellschaft da draußen? Verdammt nochmal! Wenn überhaupt, dann doch bitte für dich! Und wusstest du, dass stark und verletzlich sein zusammen geht?
“Für all die Queenies da draußen – ihr seid gut genug. Glaubt mir.”
Mit dieser Widmung hatte mich Carty-Williams eigentlich schon gewonnen. Und dann wenige Seiten später das:
“Aber hör zu, was ich dir jetzt sagen werde, denn es ist nur zu deinem Besten. Zwillingsmänner nutzen einen aus. Die nehmen dir alles, was du hast, und quetschen dich aus. Sie geben dir nie was, weil es ihnen gar nicht um dich geht, sondern immer nur um sich selbst. Und dann lassen sie dich mit gebrochenem Herzen zurück, als Häufchen Elend am Boden.”
Lass dich in den Arm nehmen. Ach nein, das magst du ja nicht!
Jaha, also das las ich, erinnerte mich, dass mein Ex Zwilling ist und wusste: Dieses Buch und ich – wir werden gute Freunde. 😉
Lass mich ruhig von vorne beginnen. “Queenie” von Candice Carty-Williams war bereits 2019 ein Bestseller und wurde dann natürlich auch zeitnah in Deutschland gehyped. Völlig zu Recht!
Queenie. Eigentlich möchte ich sie in den Arm nehmen, auf einen großen Eisbecher einladen und mit ihr über all das sprechen, was uns beschäftigt. Ich fühlte mich beim Lesen selbst plötzlich wieder so verletzlich und konnte das problemlos zulassen. Selbstverständlich ist das ja nicht. Ach, aber Queenie mag keine Umarmungen. Ich schon. Und dieses Buch ist zum Glück wie eine lange, herzliche Umarmung.
Die meisten von uns sind nicht gerne verletzlich. Wer ist schon gerne angreifbar und das auch noch vor anderen? Wir haben hohe Ansprüche an uns selbst. Wollen funktionieren, die Dinge unter Kontrolle haben und wissen wo’s lang geht. Verletzlich sein, assoziieren wir mit Schwäche, sich gehen lassen, Kontrollverlust und das macht uns Angst.
Den Stress bewältigen, die Angst besiegen
Auch Queenie macht das Angst. Vielmehr noch, sie bekommt Panikattacken, denn ihre Stressbewältigungsstrategien gehen leider nicht auf. Der unbedeutende Sex führt zu Unruhe, Leere und Versagungsängsten. Zuerst hielt ich Queenie für sexpositiv. Sie kommt im Grunde wie eine moderne und coole Variante der Bridget Jones rüber. Aber Queenie holt sich Sex aus den falschen Gründen und so richtig genießt sie ihn leider nicht.
“Mein verkaterter Sonntag hatte einigen düsteren Gedanken und Befürchtungen erlaubt, sich breitzumachen. Diese düsteren Gedanken und Befürchtungen drehten sich hauptsächlich darum, dass ich, bevor Guy anfing, mich sexuell auszubeuten, Männer in einem Tempo verschliss, das ich mir selbst nie zugetraut hätte.”
Ich lese und lese und entwickle dabei so ein Übermaß an Mitgefühl. Ich bin versucht zu sagen, dass Queenie doch “nur” eine Romanfigur ist. Aber das ist sie nicht. Queenie ist ein Symbol und sie steht für etwas und ob dieses etwas nun eine Generation, ein Alter Ego, eine unterbewusste Angst oder Hoffnung ist – es ist völlig egal. Queenie berührt beim Lesen so stark, dass ich abwechselnd gelacht und geweint habe. Über Bodyshaming, Rassismus, Familientragödien, Freundschaft, Liebe und die eigenen Unzulänglichkeiten.
Die Brücke zwischen Selbstschutz und Selfcare schlagen
Mitte Zwanzig, frisch getrennt – will das aber noch nicht so recht wahrhaben, hadert sie mit ihrem Job, kämpft gegen handfesten Alltagsrassismus und verliert sich immer wieder in Selbstmitleid und Streit mit ihren besten Freundinnen. Dabei ist Queenie voller Empathie und Liebe für ihre Mitmenschen. So geduldig jedenfalls wie Queenie mit ihrer Familie ist – ich könnte das nicht. Nur eben mit sich selbst ist sie es nicht. Die Therapie kommt ziemlich spät. Die Einsicht, dass sie Zeit und Abstand braucht, auch. Selfcare, Queenie!
Ich habe die Dialoge mit den Freundinnen geliebt, nochmal so viel mehr über #blacklivesmatter gelernt und dank Queenie und ihrer witzig-ironischen Art vermag ich als Leserin auch meinen eigenen Selbstschutz wieder etwas lockerer zu lassen. Lebensschlau und einfühlsam hat Candice Carty-Williams diese Romanfigur gezeichnet. Ein Buch, das ich in Zukunft gerne verschenken werde.