Feminismus für Männer: Bücher über Männlichkeit, Emotionen und Veränderung
Ich hadere nicht nur so, dass ich hier und da mal ein kleines bisschen mit den Schultern zucke und denke, hach, das hätte man(n) jetzt aber besser händeln können. Oder, naja, hier fühle ich mich nicht so ganz fair behandelt. Mein Hadern geht weiter. Es ist ein tiefes Mitgefühl, gemischt mit einer Portion Verzweiflung und der absoluten Sehnsucht nach Veränderung.
Toxische Männlichkeit vs. der Wunsch zu heilen
Bestimmt ist dir schon einmal der Begriff der “toxischen Männlichkeit” über den Weg gelaufen. Ich nutze ihn selbst gelegentlich und weiß doch, um seine verletzende Wirkung. Dabei möchte ich nicht verletzen, sondern sensibilisieren.
Ich will hier nicht über Mansplaining oder den Gender-Pay-Gap dozieren. Nicht über Mental Load, Femizide oder häusliche Gewalt. Auch wenn all das wichtig ist: dahinter steht ein System. Ein System, das wir alle mittragen. Und das allen schadet.
Denn: Auch Männer leiden unter dem Patriarchat. Unter Rollenbildern, unter Erwartungen, unter dem ständigen Druck, funktionieren zu müssen. Viele zahlen einen hohen Preis. Mit Depressionen, Burnout oder dem Gefühl innerer Leere. Manche mit ihrem Leben. Patriarchat macht krank.
Boys don’t cry
Männern wird versagt, Verletzlichkeit zuzulassen. Wir lächeln das manchmal weg, wenn gesagt wird, dass Männer nur schlecht über ihre Emotionen reden können. Aber was bedeutet das eigentlich? Doch nicht weniger, als dass ihnen ein Zugang zu sich selbst fehlt. Dieser Zugang wird ihnen regelrecht verwehrt. Scham ist machtvoll und wer nicht den Erwartungen seiner Umwelt entspricht, schämt sich. Ein ganz wundervolles Buch über Scham und wie wir ihr bzw. uns selbst liebevoll begegnen können, stelle ich dir ganz am Ende vor.
Die folgende Bücherliste widme ich allen Männern, die herausfinden wollen, wer sie wirklich sind. Die weniger arbeiten und mehr leben wollen. Die beim Sex auch mal nicht dominant sein wollen. Die sich über Blumen freuen würden. Die lernen wollen, auf sich selbst zu hören und aufhören möchten, einem Leistungsbild hinterherzurennen, das sie nie selbst gewählt haben.
Feministische Bücher für Männer
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„Männer, Männlichkeit und Liebe: Der Wille zur Veränderung“ von bell hooks
hooks erforscht die Erfahrungen, die Männer im Patriarchat haben, und wie sie daran leiden. Sie erklärt eindringlich, wie die gesellschaftliche Konditionierung von Männern sie von ihren Emotionen fernhält. In ihrem Buch ruft sie zu einer Veränderung der Werte auf, einem Abschied von traditionellen männlichen Rollen und einer Einladung an uns alle, das Ethos der Liebe zu verfolgen. Es ist ein mutiger und wegweisender Text einer brillanten Autorin. ZUM BUCH
„Sei kein Mann: Warum Männlichkeit ein Albtraum für Jungs ist“ von JJ Bola
JJ Bola bietet in seinem Engagement für Geschlechtergerechtigkeit eine Perspektive auf das, was Männlichkeit sein kann. Wir polarisieren oft. Bola hingegen versucht versöhnliche Töne anzuschlagen und aufzuzeigen, wie vielfältig Männlichkeit sein kann. Er untersucht Inspirationen aus nichtwestlichen Traditionen, Popkultur und der LGBTQ+-Gemeinschaft. Er betont, dass es echte Gleichberechtigung erst geben wird, wenn sich auch die Männer und der Begriff von Männlichkeit ändern. ZUM BUCH
Ein Feministischer Werkzeugkasten
„Tools For Men With Feminist Ambitions“ von Martin Barner
Tools for Men with Feminist Ambitions von Martin Barner ist ein schlankes, aber sehr durchdachtes Handbüchlein für Menschen, die feministische Haltung nicht nur verstehen, sondern im Alltag konkret leben wollen. In elf klar strukturierten Tools, entwickelt in Zusammenarbeit mit anderen Autor*innen, vermittelt Barner konkrete Ansätze für Selbstreflexion, Verantwortungsübernahme und Beziehungsgestaltung. Meine Favoriten: radical listening, owning emotions, care work, exploring desires, compassionate accountability. Aber eigentlich lohnt sich jedes einzelne Kapitel. So kurz und prägnant, dass es sich auch mit nur soliden Englischkenntnissen gut erschließt. Ich selbst nehme es immer wieder zur Hand. ZUM BUCH
„Patriarchy Blues“ von Frederick Joseph
Frederick Joseph nimmt uns mit auf seine persönliche und ehrliche Reise durch das Thema Männlichkeit aus der Perspektive eines Schwarzen Mannes. Diese Sichtweise ist für uns alle mehr als relevant. Er zeigt eindrücklich, wie eng Diskriminierung und patriarchale Strukturen miteinander verwoben sind und warum wir Männlichkeit immer intersektional betrachten müssen. Ein zentraler Fokus liegt dabei auf Therapie und Heilung: Joseph macht deutlich, wie wichtig es für Männer ist, Verletzlichkeit zuzulassen, innere Konflikte anzunehmen und durch Selbstreflexion echte Veränderung zu ermöglichen. Gerade dieser Aspekt emotionaler Arbeit macht Patriarchy Blues zu einem Buch, das vielfältige und gerechte Perspektiven fördert, auch wenn es bisher nur auf Englisch erhältlich ist. ZUM BUCH
„Männer und Zerbrechlichkeiten“ von Paul Ninus Naujoks
Lasst uns Bilder neuer Männlichkeiten zeichnen und festgefahrene Klischees sprengen. Paul bietet hier einen Einblick in die Reise eines trans Mannes, der seinen einzigartigen Platz in einer Welt der Männlichkeit findet. Es kann nicht um vollständige Antworten gehen, wenn wir fragen, was Männlichkeit ist, wer sie definiert und welchen Platz ein trans Mann darin findet. Aber wir können uns dem annähern. Dieses Buch vermittelt, wie ein solcher Weg aussehen kann. ZUM BUCH
Was Männer vom Feminismus gewinnen können
„Warum Feminismus gut für Männer ist“ von Jens van Tricht
Jens van Tricht macht in seinem Buch ganz deutlich: Feminismus ist kein Angriff auf Männer, sondern eine Einladung zu mehr Menschlichkeit. Feministische Veränderung schwächt Männer nicht, sie befreit sie. Sie ermöglicht es Männern, alte, einschränkende Rollenbilder abzulegen und dadurch tiefere, ehrlichere Beziehungen zu sich selbst und anderen zu leben. Mehr Nähe, mehr Selbstreflexion, mehr Freiheit. Van Tricht betont, dass feministische Veränderung Männern neben vielen anderen Vorteilen auch erfüllendere Beziehungen schenkt. ZUM BUCH
„Man wird nicht als Mann geboren“ von Daisy Letourneur
Dieses Buch ist klug, scharf und gut recherchiert, aber es liest sich wie eine verbale Ohrfeige. Letourneur schreibt präzise und pointiert, oft sarkastisch, immer schonungslos. Sie seziert die Konstruktion von Männlichkeit so kühl wie kompromisslos. Mich hat die Härte beim Lesen manchmal überfordert und ich vermute, vielen Männern wird es ähnlich gehen. Empathie ist hier kein zentrales Werkzeug, sondern Konfrontation. Aber vielleicht ist das ja genau dein Ding? Du willst keine Ausflüchte, brauchst keinen literarischen Rückzugsraum? Dann ist das hier dein Buch. Eines, das fordert, nicht umarmt. ZUM BUCH
Wie das Patriarchat auch Männern schadet
„Prägung: Nachdenken über Männlichkeit“ von Christian Dittloff
Christian Dittloff verbindet seine persönlichen Erfahrungen, Reflektionen über Vorbilder und Popkultur sowie philosophische Betrachtungen zu einer tiefen Selbsterkundung. Er beleuchtet seine Vergangenheit und untersucht die gewaltvollen Vorbilder, von denen er beeinflusst wurde. Vom Klassenbully, über den Rockstar bis hin zum genialen Künstler. Wir können uns verändern und wachsen. Dieses Buch ist eine Einladung zu erforschen, was uns zu den Menschen macht, die wir sind und wie wir uns entwickeln können. ZUM BUCH
„Männlichkeit (Ver)lernen: Anleitung zur Selbstverantwortung“ von Daniel Holtermann und Alexander Hahne
Holtermann und Hahne analysieren Männlichkeit nicht einfach, sie haben einen praktischen Begleiter geschaffen. Ziel ist eine bewusstere, vielfältigere und sensiblere Männlichkeit. Die Autor*innen laden Männer ein, sich selbst kritisch zu hinterfragen und aktiv zu verändern. Dafür vermitteln sie Reflexionsübungen, Lernmodelle und konkrete Impulse für den Alltag. Mir besonders wichtig: Das Buch thematisiert dabei auch so wichtige Themen wie emotionale Nahbarkeit, Sexualität, Gewalt (für 2026 ist das Buch Gewaltfreiheit lernen: Caring Masculinities angekündigt) und Verantwortung. Alles eingebettet in den Wunsch, Beziehungen auf Augenhöhe zu leben. ZUM BUCH
Reflektieren, handeln, verändern
Und klar: Männer brauchen kein „eigenes Regal“ im Feminismus. Die meisten feministischen Bücher sind für alle Menschen lesenswert. Aber manche sprechen Männer eben ganz gezielt an, genau wie die hier. Es sind Bücher, die ich entweder selbst gelesen habe, oder die ich von Menschen, denen ich großes Vertrauen entgegenbringe, empfohlen bekam.
Diese Liste ist natürlich nicht vollständig. Es gibt viele weitere Titel, die sich dem Thema Männlichkeit und Gleichberechtigung widmen, mit ganz unterschiedlichen Ansätzen. Der Feminist von Iván Repila etwa spielt literarisch und satirisch mit Rollenbildern. Andere Bücher, wie Das Buch, das jeder Mann lesen sollte vom Feminist Lab oder Wenn die letzte Frau den Raum verlässt von Herr & Speer, richten sich bewusst an Männer, die einen ersten Zugang suchen. Auch wenn sie aus meiner Sicht eher an der Oberfläche bleiben, können sie als Einstieg oder Gesprächsanstoß hilfreich sein. Wer gern im Feuilleton blättert, wird mit Tobias Haberls Der gekränkte Mann vielleicht etwas anfangen können. Für mich wirkt das Buch allerdings wie ein Spaziergang durch die eigene Kränkung. Wohlformuliert, aber wenig transformativ. Es beschreibt mehr, als dass es wirklich etwas bewegt.
Verletzlichkeit, Scham und Mut: Ein letztes Lesehighlight
Und nun, wie versprochen: Eines der berührendsten Bücher, die ich je über Scham gelesen habe, ist Die Gaben der Unvollkommenheit von Brené Brown. Das deutsche Cover hat mich erst abgeschreckt, und auf den ersten Blick wirkt der Titel nach seichter Ratgeberliteratur. Hätte nicht einer meiner besten Freunde gesagt: „Trude, lies es. Es wird dich verändern“, ich hätte es wohl nie angerührt. Zum Glück habe ich auf ihn gehört. Denn selten hat mich ein Buch so ehrlich und kraftvoll daran erinnert, wie viel Mut in echter Verletzlichkeit liegt.
Viel Spaß beim Stöbern, Entdecken und Dekonstruieren!