Bücher über Polyamorie, die dein Lieben verändern werden
Was tun, wenn du in einer glücklichen Beziehung bist und dann aber doch noch Augen für eine andere Person hast? Wie lieben wir im 21. Jahrhundert? In diesem Artikel stelle ich dir Bücher vor, die deine Perspektive auf die Liebe und Beziehungen verändern werden.
Mit Anfang 20 habe ich meine Zelte in Deutschland abgebrochen, um für eine kleine Weile in Paris zu leben, zu arbeiten, zu feiern, zu tanzen, zu atmen. Das französische Lebensgefühl tat wahnsinnig gut. Alles fühlte sich frei und lässig an. Auch die Liebe und der Sex. Aufregende Dates, faszinierende Menschen und interessante Lebenskonzepte. Dort war es auch, dass mir zum ersten Mal jemand von seiner Vision erzählte, dass wir nicht nur eine Person romantisch lieben können. Es würde bald eine Welt geben, in der wir mehrere Partner*innen haben, Liebe nicht einseitig fokussieren, sondern großzügig vervielfältigen und jenseits von Neid und Eifersucht leben. Das war 2007. Diese Person war davon felsenfest überzeugt und schrieb gerade an ihrem ersten Buch über Polyamorie.
Ich weiß leider nicht, was aus diesem Buch geworden ist. Damals habe ich die Idee belächelt und bin wieder meiner Wege gegangen, hatte weitere Dates, weitere Erfahrungen. Mit vielen verschiedenen Menschen zu schlafen – das war schon damals für mich selbstverständlich. Aber lieben? In einer Beziehung sein? Das konnte ich irgendwie nicht zusammen denken.
Auch noch viele Jahre später hielt ich streng an der Monogamie fest, hatte immer nur eine Partnerin oder einen Partner gleichzeitig und tat Berichte von Freund*innen, die andere Modelle lebten, ein bisschen ab. Ich dachte, dass das zwar aufregend klinge, aber der Realität nie dauerhaft standhalte. Meine Vorurteile waren groß und meine innere Mauer scheinbar unüberbrückbar.
Zum Ende meiner Zwanziger hatte ich die große Liebe gefunden und war überzeugt davon, mit diesem einen Menschen alt zu werden. Daran ließ ich keinen Zweifel zu. Natürlich empfand ich Liebe und Zärtlichkeit auch für andere Menschen in meinem Leben. Für Freund*innen, meinen Bruder, Expartner*innen. Hin und wieder gab es vielleicht sogar etwas wie eine Sehnsucht für die ein oder andere Person, die neu in meinem Leben auftauchte, aber meine monogame Liebe bedrohte das nie ernsthaft.
Und dann kam das Leben, lachte über meine Pläne und lud mich ein, meine Scheuklappen abzulegen und Neues zu wagen. Ich habe diese Einladung angenommen und vielleicht hast du ja auch Lust, ein paar konventionelle Strukturen zu überdenken. Viel Spaß beim Stöbern und Entdecken!
Bücher über Polyamorie
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Die andere Beziehung: Polyamorie und Philosophische Praxis
Hin und wieder taucht in Poly-Zusammenhängen die Abkürzung ENM auf, die für Ethical Non-Monogamy steht. Ich mag diese Bezeichnung, weil sie die Ethik in den Vordergrund rückt und deutlich macht, dass nicht alles, was möglich ist, auch immer in Ordnung ist. Der rücksichtsvolle Umgang mit unseren Mitmenschen und den unterschiedlichen Bedürfnissen, die hier aufeinander treffen, sollte bei unseren Entscheidungen immer mitgedacht werden. Imre Hofmann und Dominique Zimmermann haben in diesem kleinen Bändchen interessante philosophische Betrachtungen zusammengestellt, die uns neue Blickwinkel aus gesellschaftlicher und individueller Sicht ermöglichen. ZUM BUCH
Polysecure: Bindung, Trauma und konsensuelle Nicht-Monogamie
Kennst du bereits deinen Bindungs-Stil? Wer „Attached“ von Levine und Heller gelesen hat, datet meiner Ansicht nach anders. Auf alle Fälle werte ich nicht mehr alle Schmetterlinge in der Bauchgegend positiv. Manchmal verstecken sich dahinter nämlich einfach nur Unruhe, Verlustängste, Unsicherheiten und eine Dysbalance in meinen Hormonen. Nicht jedem vermeintlichen “Verliebt-Sein” gehe ich nach – besonders wenn ich die Red Flags schon von weitem sehe. In „Polysecure“ nimmt uns Jessica Fern mit auf eine Reise zu unseren Emotionen, Traumata, Bedürfnissen und zeigt auf, wie diese Einfluss auf unsere Beziehungen haben. Du wünschst dir sichere Bindungen mit mehr als nur eine*r/m Partner*in? Dann lies unbedingt mal rein! ZUM BUCH
Das Polysecure Workbook
Jessica Ferns mehr als lesenswertes Nachfolgewerk „Polywise“ vertieft und erweitert die Themen aus ihrem Bestseller „Polysecure“. Ich persönlich fand es sehr wertvoll und bereichernd und habe es als englisches Audiobook gehört. Für die konkrete Umsetzung und die Arbeit an meinen eigenen Glaubenssätzen hat mich jedoch besonders das „Polysecure Workbook“ beeindruckt, das nun auch auf Deutsch im Divana-Verlag erhältlich ist. Es ist eine Sache, über relevante Themen zu lesen, aber um manche Erkenntnisse wirklich zu verinnerlichen und mit meiner eigenen Lebensgeschichte zu verbinden, braucht es praktische Übungen. Das Workbook bietet hier eine ideale Anleitung, fast wie eine persönliche Selbsttherapie. ZUM BUCH
Entromantisiert Euch! Ein Weckruf.
„Und fühlt es sich denn noch nach Love an, oder ist es schon eher wie WG?“, fragte meine Schwester, als ich ihr erzählte, dass ich den Sommer bei meinem Lover W. in Belgien verbringe. Wir führen eine On-Location-Relationship, sehen uns ab und zu, schlafen meistens getrennt, reden offen. Dieses Mal hatten wir sogar einen Gruppen-RADAR mit seiner Primary-Partnerin. Für uns passt das gerade gut, auch wenn es vielleicht nicht nach klassischer Rom-Com klingt. Frasls Buch handelt nicht explizit von Polyamorie und gehört für mich trotzdem unbedingt in diese Liste. Denn die Art, wie wir lieben (oder lieben sollen), ist tief verwoben mit gesellschaftlichen Erwartungen, Rollenbildern und alten Geschichten, die selten gut tun. Mir jedenfalls haben sie nicht gutgetan. Ich merke immer mehr: Ich hab keine Lust auf die Idee von Liebe, wie ich sie gelernt habe. Ähnliche Fragen stellt auch Andrea Newerla in Vom Ende des Romantikdiktats, ein Buch über romantische Machtverhältnisse, das Frasls Perspektive treffend ergänzt. Warum das nicht nur mein Thema ist, sondern ein strukturelles, zeigt Beatrice Frasl in Entromantisiert Euch! – ein kluges, scharfes und befreiendes Buch über die politischen Seiten der Liebe. Ich mag ihre klare Sprache, ihre Wut und ihre Weichheit. Hat mir sehr aus dem Herzen gesprochen. ZUM BUCH
Wie es mir gefällt. Über Liebe und nicht-exklusives Begehren
Deepa Paul schreibt auf Tinder: “Übrigens, mein Mann weiß, dass ich hier bin” und wird dann immer wieder gefragt: “Erzähl mal, wie funktioniert das?”. In ihrem Debütmemoir erzählt sie genau davon. Sie lebt in einer offenen Ehe und verheimlicht nicht, wie viel emotional labour und wie viele Gespräche es brauchte, um heute so selbstbestimmt und verbunden leben zu können. So ehrlich sie über ihre eigene Entwicklung schreibt, so klar benennt sie auch die Schieflage in ihrer Beziehung: Ihr Mann bleibt lange passiv, wütend, blockiert und überschreitet einmal eine körperliche Grenze. (Triggerwarnung: Gewalt, Drogen) Mit klarem Blick macht sie die Bedeutung von emotional housekeeping sichtbar: Eifersucht, Grenzen, Empathie, Vertrauen. Und sie zeigt, wie Liebe, Familie und Muttersein auch jenseits konventioneller Modelle gelebt werden können. Dass das nicht einfach und selbstverständlich ist, versteht sich von selbst. Sehr lesenswert, unterhaltsam und gerade deshalb so bewegend, weil es nicht glatt ist. ZUM BUCH
Schlampen mit Moral /The Ethical Slut
Der Klassiker! Kaum jemensch, die/der im Bereich Poly unterwegs ist und dieses Buch nicht gelesen hat und beinahe habe ich das Gefühl dazu gar nicht viel sagen zu müssen. Wenn du gerade erst anfängst, deine Glaubenssätze zu Liebe und Sexualität zu dekonstruieren und neu aufzustellen, dann könnte dieses Sachbuch der richtige Einstieg für dich sein. Viel gelesen und viel kritisiert, denn natürlich kann kein Werk alle Facetten und Bedürfnisse bedienen und die absolute Wahrheit für sich beanspruchen. ZUM BUCH
Mehr ist Mehr: Meine Erfahrungen mit Polyamorie
Schon allein das Thema Eifersucht kann aus so vielen verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Und darum darf in dieser Lese-Liste auch keinesfalls dieses Buch fehlen. Ich bin durch einen Instagram-Stream darauf aufmerksam geworden. Ein einfühlsamer, ehrlicher und sehr praxisbezogener Erfahrungsbericht, der ohne Zeigefinger auskommt. Einmal mehr wird betont, wie wichtig es ist, achtsam mit sich und anderen umzugehen, die eigenen Grenzen kennenzulernen und natürlich auch fremde Grenzen einzuhalten. Umlernen braucht Zeit und Kraft. Schön, dass es Bücher wie dieses gibt, die uns Mut machen, neue Wege zu gehen und vermeintlich festgefahrene Strukturen zu hinterfragen. Habe ich sehr, sehr gerne gelesen! ZUM BUCH
More Than Two: A Practical Guide to Ethical Polyamory. Second Edition.
Dieser Klassiker unter den Poly-Büchern darf natürlich nicht fehlen. 2024 erschien endlich die zweite Auflage. Mit Blick auf Psychologie, Moral und praktische Umsetzbarkeit wird – wenn auch keine Anleitung, so zumindest ein Leitfaden geschaffen für Menschen, die romantische Verbindungen mit mehreren Partner*innen pflegen wollen. Die Lektüre liegt für mich schon eine ganze Weile zurück und ich habe für viele verschiedene Beziehungen – auch Freund*innenschaften – viel Nützliches mitnehmen können. Wie wichtig beispielsweise effektive Kommunikation ist. Bestimmt lese ich demnächst mal wieder rein. ZUM BUCH
The Non-Monogamy Playbook
Wenn du offen für ein weiteres englischsprachiges Buch bist, kann ich dir dieses hier sehr ans Herz legen. The Non-Monogamy Playbook ist weniger Theorie, mehr echtes Leben. Es bringt mir wenig, theoretisch zu wissen, wie etwas idealerweise funktionieren sollte, wenn mir dann in der Umsetzung meine nicht regulierten Gefühle dazwischenfunken. Ruby Rare führt mit viel Wärme, Humor und Queerness durch typische Stolpersteine des Poly-Alltags: Sie schreibt über Zeitmanagement, den Umgang mit Metamours und darüber, wie man sich selbst nicht im Gefühlschaos verliert. Leicht geschrieben, aber mit Tiefe. ZUM BUCH
Wir sind nicht für mehrere romantische Beziehungen sozialisiert und das Umlernen in diesem Bereich kann schon mal sehr schmerzhaft sein. Zumindest ist es mir so gegangen und die Reibung und Herausforderungen nehmen eher nicht ab. Trotzdem möchte ich diesen Weg nicht missen.
Übrigens: Ein Buch, das mich auf diesem Weg besonders gestärkt hat, ist Radikale Zärtlichkeit von Şeyda Kurt. Du kennst es vielleicht schon aus meinem Artikel „Feministisch denken und argumentieren: Bücher, die echten Support leisten“.
Nicht-Monogamie ist ein Spektrum. Polyamorie, offene Beziehungen, Solo-Poly, Beziehungsanarchie: all das sind Facetten von konsensueller Nicht-Monogamie. Am Ende geht’s vielleicht gar nicht darum, wie viele Menschen wir lieben, sondern wie ehrlich, achtsam und mutig wir dabei sind. So viele Bücher, so viele Möglichkeiten. Lies, fühl, zweifel und finde deinen eigenen Weg.