Was ist Bookcrossing? Ich erzähle euch von einer meiner größten Leidenschaften.
Was ist Bookcrossing?
Ich erzähle euch von einer meiner größten Leidenschaften!In Gedenken an die wunderbare Bookcrosserin und Autorin Gudrun Maria Friedrich alias Patschouli, die im Mai 2018 im Alter von 95 Jahren entschlief.
Etwas “freilassen” und dabei trotzdem gewinnen; “auf die Jagd gehen” ohne Blutvergießen; reisende Bücher … all das klingt irgendwie fantastisch in deinen Ohren? Ist aber trotzdem schon Realität. Bookcrossing ermöglicht die Weitergabe von Büchern, einfach aus Freude am Teilen. Völlig unkommerziell und dafür mit viel Liebe zum Abenteuer, den Menschen und der Literatur.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung und die drei wichtigsten Schritte beim Bookcrossing
- Was ist Bookcrossing?
- Spannende Fakten rund um Bookcrossing
- Geschichte und Hintergründe zu Bookcrossing
- Welche Werte stehen für mich dahinter?
- Die Bookcrossing-Community
- die BC-Sprache: OBCZ, Rays, Bücher jagen, Wunschlisten und noch viel mehr
- Bookcrossing in meinem Leben und warum ich mich gerne dafür engagiere
- Das sagen BookcrosserInnen über ihr bibliophiles Hobby
- Weitere Quellen
1. Einführung und die drei wichtigsten Schritte beim Bookcrossing
Nächstes Jahr werde ich Zehn. Mein 10. Bookcrossing-Geburtstag fällt auf einen Freitag, genauer gesagt den 23. August 2019. Es kann bestimmt nicht schaden so langsam mit der Party-Planung anzufangen und ein paar Bücher zum Freilassen zu horten. Das klingt jetzt sicher ein bisschen ironisch, aber ganz im Ernst: Bookcrossing nimmt seit vielen Jahren einen sehr wichtigen Stellenwert in meinem Leben ein und darüber möchte ich in diesem Artikel sprechen. Ich werde dir erzählen, was es mit den reisenden Büchern auf sich hat, welche Werte dahinter stehen und wie sich der ganze Spaß auf meinen Alltag auswirkt. Und um gleich mal eines klarzustellen: Weniger Bücher habe ich durch das Freilassen keinesfalls!
Hier die 3 wichtigsten Schritte beim Bookcrossen:
- Registriere ein Buch deiner Wahl und generiere so eine BCID (Bookcrossing-ID) für dieses Buch.
- Schreibe die BCID in das Buch und ergänze sie mit einer kurzen Info zu Bookcrossing bzw. dem Hinweis zur Homepage.
- Lasse das Buch irgendwo frei, wo es trocken und geschützt von jmd. anderem gefunden werden kann.
Was sonst noch alles zu Bookcrossing gehört, erfährst du in diesem Artikel, aber das wichtigste weißt du schon jetzt: Bookcrossing macht die Welt zu einer großen Bibliothek!
2. Was ist Bookcrossing?
Bookcrossing hat ein hehres und bewundernswertes Ziel: Menschen durch Bücher miteinander verbinden. Das gelingt indem Bücher auf Reisen gehen, die zuvor online registriert wurden und mit einer ID versehen wurden. Jedes BC-Buch erhält somit sein ganz eigenes Logbuch. Mithilfe dieses Logbuches und der passenden ID können wir die Reise eines Buches nachvollziehen und erfahren, wie das Buch anderen gefallen hat.
“Wir sind gegen Bücher in Regalhaltung!”
Das ist einer von vielen witzigen Slogans von uns BookcrosserInnen. Wir wollen Bücher wieder in Umlauf bringen, versorgen öffentliche Bücherschränke, Cafés und Bücher-Telefonzellen mit Büchern. Wir legen sie auf Parkbänke oder verstecken sie an den unmöglichsten Orten. Innerhalb der Community versenden wir Buchwünsche, Ringe, Überraschungsbücher. Manchmal fragen uns auch Kindergärten, Schulen und Freizeiteinrichtungen an und bekommen tolle Buchspenden von uns.
Menschen, die ein registriertes Buch finden, müssen sich keinesfalls anmelden (sie können es aber), um einen Eintrag im Buch zu hinterlassen. Die Bücher sind frei, d.h. sie müssen auch nicht wieder auf Reisen geschickt werden. Wenn dir ein Buch besonders gefällt, behalte es einfach. Natürlich aber freut es jede Bookcrosserin und jeden Bookcrosser, wenn wir mal wieder von einem Buch “hören”, also jemand einen Eintrag gemacht hat. Wir wollen erfahren, wie es andere fanden und welche Reise das Buch macht. Auf Bookcrossing kannst du auch ganz gezielt in deiner Umgebung nach freigelassenen Büchern suchen. BookcrosserInnen wollen Bücher wieder ihrem eigentlichen Zweck zuführen: Bücher wollen gelesen werden.
3. Ein paar spannende Fakten rund um Bookcrossing
- rund 2 Mio Mitglieder weltweit, über 12 Mio registrierte Bücher reisen durch 132 verschiedene Länder
- der Begriff “Bookcrossing” wurde 2004 ins Concise Oxford English Dictionary aufgenommen und beschreibt die Tätigkeit, Bücher öffentlich auszulegen, damit sie gefunden und wieder gelesen werden können
- die am Häufigsten registrierten Bücher sind:
- Rachel’s Holiday von Marian Keyes.
- Pride and Prejudice von Jane Austen.
- The Book Thief von Markus Zusak.
- der am weitesten gereiste Buchring hat über 600 Journal-Einträge: Der seltsame Bücherfreund
- weitere interessante Statistiken zu Bookcrossing finden sich hier: Mitgliederstatistiken und Buchstatistiken.
4. Geschichte und Hintergründe zu Bookcrossing
Alles begann mit dem Wunsch die Reise von Büchern mitverfolgen zu können, so wie auch Geldscheine damals schon getrackt werden konnten. Ron Hornbaker, seine Frau Kaori und die MitgründerInnen Bruce & Heather Pedersen ermöglichten die Veröffentlichung der Seite am 21. April 2001. Der 21. April wird jährlich als Bookcrossingday gefeiert.
Bookcrossing hat sich schnell in der ganzen Welt verbreitet und ist heute eine weltweite Community von Menschen, die sich für Bücher und Literatur begeistern. Das Kern-Team hat seinen Sitz in Sandpoint, Idaho in den USA, aber es gibt natürlich noch zahlreiche Helferinnen und Helfer überall in der Welt.
5. Welche Werte stehen für mich dahinter?
Bookcrossing ist sozial, weltverbessernd und innovativ. Wer sich näher mit der Idee des Bookcrossens auseinandersetzt, wird gewahr, wie vielseitig und tiefgreifend damit die Gesellschaft verändert werden kann. Ich möchte hier ein paar Werte vorstellen, die mir besonders wichtig sind und unbedingt mit meiner Leidenschaft für Bookcrossing zusammenhängen.
- Leseförderung und Bildung: Bookcrossing unterstützt die Verbreitung eines wichtigen Kulturguts. Durch die Verteilung von kostenlosen Büchern im öffentlichen Raum, werden sie wieder verstärkt Bestandteil unserer Lebenswelt. Mir ist sehr wichtig, dass Kinder viel von Büchern umgeben sind und mit diesen selbstverständlich aufwachsen. Bildung sollte immer einfach und kostenlos zugänglich gemacht werden. Bookcrossing trägt ungemein dazu bei.
- Nachhaltigkeit: Ich bin absolut dafür, den regionalen Buchhandel zu unterstützen, Verlage am Leben zu halten und auch immer neuen Veröffentlichungen eine Chance zu geben. Trotzdem gibt es so viele Bücher, die einmal gelesen wurden und danach irgendwo verstauben. Bookcrossing sorgt für Bewegung solcher Bücher, bringt sie wieder in Umlauf und schützt dadurch die Umwelt.
- Austausch und Vernetzung: Bücher und Menschen – das gehört für mich einfach zusammen. Durch den Austausch und die Vernetzung erweitern wir unseren Horizont, gewinnen Freunde und neue Perspektiven. Es entstehen gemeinsame Projekte und sogar über Ländergrenzen hinweg, werden freundschaftliche Bande geknüpft. Wie schön ist es auch auf Bookcrossing zu stöbern und nachzulesen, wie Menschen in anderen Ländern dieses oder jenes Buch gefallen hat. Inspiration und Entdecken spielen dabei eine große Rolle.
6. Die Bookcrossing-Community
„BC sind für mich nicht in erster Linie die Bücher sondern die Menschen.“ sagt Zaida auf die Frage hin, was Bookcrossing für sie bedeute.
Bookcrossing verbindet Bücher und Menschen auf besondere Weise und auch wenn du dein Leben lang bookcrossen könntest, ohne dich jemals direkt mit anderen BookcrosserInnen auszutauschen – es geht auch anders! In vielen großen Städten finden regelmäßig BC-Meetups statt: Das sind sehr gesellige Treffen zu denen auch immer Newbies willkommen sind. Jede und jeder bringt so viele registrierte Bücher mit wie er oder sie mag, essen und trinken zusammen und verbringen eine schöne gemeinsame Zeit. Oft kennen BookcrosserInnen untereinander schon die Lesegeschmäcker und bringen sich gezielt Wunsch- und Überraschungsbücher mit. In Berlin weiß frau und man zum Beispiel, dass ich oft Historische Romane für meine Großeltern mitnehme und bekomme hin und wieder ganz gezielt solche zugeschoben. (:
Neben kleineren Meetups, wozu auch Bücher-Picknicks und Release-Spaziergänge gehören, gibt es Conventions und Unconventions. Das sind dann internationale und nationale Treffen, die BookcrosserInnen aus der ganzen Welt anlocken. Bisher habe ich es leider noch zu keinem dieser Treffen geschafft, aber so habe ich immer noch etwas, worauf ich mich in der Zukunft freuen kann.
Einen besonderen Stellenwert in der deutschsprachigen Community nimmt das deutschsprachige Forum auf Bookcrossing ein. Hier werden Buchringe organisiert, Lesemarathons geplant, Literaturzitate gepostet und noch viel mehr. Am besten du schaust selbst mal vorbei und machst dir ein Bild. Hier geht’s zum Forum und hier zum Info-Thread für Newbies.
7. Die BC-Sprache: OBCZ, Rays, auf die Jagd gehen, Wunschlisten und noch viel mehr
Ich werde an dieser Stelle nur die geläufigsten Begriffe erläutern. Eine wirklich wunderbare, sehr ausführliche Übersicht aller Begriffe und Abkürzungen findet ihr auf der deutschsprachigen Supportseite Bookcrossers.de. Aber wie versprochen die wichtigsten an dieser Stelle:
- Eine OBCZ ist eine Offizielle Bookcrossing Zone. Das kann ein öffentliches Bücherregal sein, eine Bücher-Telefonzelle oder ein betreutes Regal in einem Café. OBCZs werden von aktiven BookcrosserInnen betreut. Eine Liste vieler OBCZs im deutschsprachigen Raum findet ihr hier: OBCZ-Liste. Ihr könnt aber auch direkt beim “Bücher-Jagen” danach suchen.
- Womit wir schon bei der nächsten Begrifflichkeit wären: “auf die Jagd gehen”. Ja, Bücher kann man jagen. BookcrosserInnen können Bücher, die sie öffentlich freilassen, mit Ort und Zeit versehen und so für andere gezielt auffindbar machen. So kannst du zum Beispiel schauen, ob in deinem Heimatort oder deinem Stadtteil kürzlich ein Buch freigelassen wurde. OBCZs sind dort übrigens mit einem kleinen Ballycumber-Symbol gekennzeichnet.
- Der Ballycumber ist das kleine gelbe, laufende Buch, das dir bei Bookcrossing immer wieder begegnen wird. Sozusagen unser Bookcrossing-Maskottchen.
- Ein Buchring ist ein Buch, das gezielt eine festgelegte Wanderschaft antritt. Wenn ich zum Beispiel ein Buch registriere, kann ich im Forum oder bei einem Meetup anfragen, wer das Buch lesen möchte. Dann wandert das Buch zu diesen verschiedenen LeserInnen, erhält neue Einträge und landet irgendwann wieder bei mir. Ein Ray ist wie ein Buch-Ring, muss aber zum Schluss nicht an die erste Person zurückgesandt werden.
- Sehr schön finde ich auch die Idee der Wunschlisten, denn dort kann jede Bookcrosserin und jeder Bookcrosser angeben, welche Bücher sie oder er gerne lesen würde. Viele BookcrosserInnen machen sich die Mühe und schauen bei einem registrierten Buch, ob es irgendwo auf einer Wunschliste steht und schicken dieses dann nach Adressanfrage zu. Eine ganz tolle Praktik, die mir selbst immer wieder große Freude bereitet. Egal ob als Senderin oder Beschenkte.
- “Flügel”: Bookcrossing ist kostenlos. Du kannst ohne Probleme über Jahre Bookcrossen, ohne Geld dafür auszugeben. Mit den “Flügeln” kannst du jedoch Bookcrossing unterstützen. Du erhältst ein paar Features und hältst mit einem kleinen Beitrag die Webseite am Laufen. Bookcrossing ist nicht kommerziell, aber natürlich lässt sich so ein großes Projekt nicht völlig ohne finanzielle Unterstützung am Laufen halten. Eine andere Form der Unterstützung ist, die Produkte im Shop zu kaufen. Aber sei an dieser Stelle nochmal versichert: Bookcrossing ist kostenlos.
Bestimmt habe ich hier viele auch wichtige Aspekte ausgelassen. Fühlt euch frei, diese in den Kommentaren zu ergänzen und damit allen LeserInnen diese Informationen zukommen zu lassen.
8. Bookcrossing in meinem Leben und warum ich mich gerne dafür engagiere
Wenn es um Bookcrossing geht, gehöre ich zwar nicht zu den ganz Harten, aber ein bisschen nerdig verhalte ich mich im Rahmen meines Hobbys schon. Ich habe drei OBCZs selbst gegründet, davon zwei Regale völlig neu angelegt. Ich komme an keinem Bücherkarton vorbei und habe bis zum heutigen Tag über 2500 Bücher auf Bookcrossing registriert. Davon die meisten unter meinem alten Account. Seit Gründung von Literaturpower habe ich einen neuen Account angelegt, unter dem ich nun hauptsächlich agiere. Die meisten der von mir registrierten Bücher habe ich nicht selbst gelesen. Oft sind es Funde aus Freeboxen und Ähnlichem. Sie spiegeln also nicht wirklich meinen Lesegeschmack wieder.
Für meine verschiedenen Tätigkeiten z.B. für Projekte mit Schulen usw. habe ich andere Accounts verwendet. Meine erste OBCZ habe ich während meines Studiums in Rostock gegründet: ein offenes Bücherregal in der Rostocker Ökovilla. Der Ort ist bestens geeignet für eine OBCZ und ist geprägt durch ständigen Bücher-Austausch.
Hin und wieder besuche ich auch Meetups und bin sowohl in Mecklenburg-Vorpommern, als auch in Berlin mit vielen wunderbaren Bookcrosserinnen und Bookcrossern bekannt und befreundet. Seit diesem Jahr schicke ich regelmäßig auch Buchringe auf Reisen. Zuhause habe ich ein großes Regal nur für Bücher, die noch registriert und freigelassen werden wollen. Oft stehen auch davor große Stapel. Vor meinen Umzügen habe ich in den letzten Jahren manchmal tagelang Bücher registriert und freigelassen.
Ich versende sehr gerne Wunschbücher und freue mich immer sehr, wenn ein Buch einen Journaleintrag bekommt. Das ist nicht immer selbstverständlich. Von vielen Büchern, die ich registriere, höre ich nie wieder, aber das finde ich auch nicht so schlimm. Ich weiß ja, dass sie irgendwo da draußen sind und vielleicht gelesen werden. Manchmal bekommst du auch erst nach Jahren wieder eine Rückmeldung von einem Buch. Das ist dann besonders schön.
Leseförderung und der Wunsch, meine Begeisterung für Literatur mit anderen Menschen zu teilen, sind ein ständiger Antrieb bei meiner Bookcrossing-Tätigkeit. Manchmal gibt es monatelange Phasen ohne dass ich ein Buch registriere oder ins Forum schaue und dann wieder bin ich sehr aktiv. Aber im Herzen bin und bleibe ich immer Bookcrosserin. Das gehört inzwischen einfach zu mir.
9. Das sagen BookcrosserInnen über ihr bibliophiles Hobby
Lilo37fee schreibt:
“Für mich ist Bookcrossing
… eine Inspirationsquelle in Sachen Büchern.
… eine Möglichkeit, Leserinnen kennen zu lernen und mich über Bücher auszutauschen.
… eine spannende Möglichkeit der virtuellen Schnitzeljagd.
… eine Aktivität, die mir immer wieder den Glauben an die Menschheit zurück gibt, weil man gibt, ohne direkt was zu bekommen und bekommt, ohne etwas gegeben zu haben.
… eine Internetseite, die mir hilft, Buchwünsche zu vermerken.
… eine Internetseite, über die ich schon oft im RL Menschen kennen gelernt habe, gerade, wenn ich in fremden Städten unterwegs bin, Bookcrosser gibts überall 🙂 ”
bluezwuzl schreibt:
Bookcrossing bedeutet für mich …
– ein Tor zu Büchern Autoren und Literaturlandschaften, die ich sonst nie kennengelernt hätte
– eine Möglichkeit, neue Freunde für ungeliebte Exemplare oder Regalhocker zu finden
– Leseanregungen und -tipps und die Möglichkeit, sie für mich festzuhalten
– Kontakt zu Bücherverrückten und Lesefreunden aus aller Welt
– spannende Freilassaktionen und Büchersuchen
– und auch nicht zu verachten (es ist ja bald Weihnachten und ich verschenke generell überwiegend Bücher): Geschenktipps für Freunde mit Lesevorlieben, die ich nicht teile.”
Lire schreibt:
“Viel gelesen habe ich immer schon. Aber auch ich hätte, ohne dass man mich hier im Forum oder auf Treffen darauf aufmerksam gemacht hätte, manches Buch nicht gelesen. >>Alles wirkliche Leben ist Begegnung<< – dieser Satz von Martin Buber ist eines meiner Lebensmottos. Deswegen sind mir die Treffen am Wichtigsten.”
Pyrrhula schreibt:
“Neben allen [im Forum] bereits genannten Dingen (den Büchern und den Menschen) ist es für mich die Möglichkeit in meinem kleinen verschlafenen Dörfchen zu leben und doch irgendwie mittendrin zu sein… Und mir Kultur und die Welt ins Haus zu holen, auch außerhalb von Besuchen in der einen oder anderen Großstadt.”
10. Weitere Quellen über Bookcrossing
*Eine sehr ausführliche Übersicht (leider nur auf Englisch) über alle möglichen Fragen und Antworten zu Bookcrossing findest du hier: FAQ.
*Natürlich gibt es auch einen Wikipedia-Eintrag über Bookcrossing.
*In der Presse finden sich zahlreiche Beiträge über Bookcrossing. So zum Beispiel in der FAZ, im Tagesspiegel, auf Spiegel-Online und auch der Stern hat schon über wandernde Bücher berichtet.
*Eine weitere wichtige Quelle für Informationen rund um Bookcrossing ist auch bookcrossers.de. Dort findest du wirklich alles, was du rund um Bookcrossing wissen möchtest.
Jetzt hast du sicher einen umfassenden Eindruck davon bekommen, was Bookcrossing ist und welche Rolle es in der Welt und für die Menschen spielt. Schau auf alle Fälle auch auf der Bookcrossing-Webseite vorbei. Wenn dich die Idee von Bookcrossing begeistert, erzähle anderen davon, lege Bücher aus und teile sehr gerne diesen Artikel.
Zum Abschluss noch ein paar Fragen zur Diskussion in den Kommentaren:
Gibt es Bücher die du nicht weitergeben könntest, weil du sie unbedingt behalten musst? Falls du bereits Bookcrosserin oder Bookcrosser bist: Welche Rolle nimmt Bookcrossing in deinem Leben ein? Was bedeutet es für dich? Ich freue mich auf eure Meinungen und Kommentare!
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Bücher über das Leben helfen dir dabei. Hier werde ich dir erklären wie das geht und wie du von solchen Büchern profitierst. Es lohnt sich übrigens diesen Artikel bis zum Ende durchzulesen (oder einfach bis zum letzten Punkt runterzuscrollen) denn dort gibt es interessante Lese-Empfehlungen und auch deine Meinung bzw. deine Empfehlung ist gefragt. Also bleib dran und hab Spaß beim Lesen!
1. Einführung: Bücher über das Leben
Menschen haben mein Leben verändert. Ereignisse auch. Genauso Reisen, Prüfungen und Kinofilme. Ganz besonders Kinofilme! Ich denke da zum Beispiel an “There will be blood” oder auch “Die Truman-Show”. Die Katharsis (die seelische Reinigung) von der Aristoteles in seiner Dramentheorie gesprochen hat – sie funktioniert bei mir seit jeher ausnahmslos gut. Aber eben nicht nur bei Kinobesuchen, Theatervorstellungen und Fernsehserien. Ein Bereich unserer Kultur und Zivilisation hat es ganz besonders auf mich abgesehen: die Literatur.
In Romanen lernen wir nämlich etwas über das Leben. Dabei sind Romane nicht belehrend, wie ein Sachbuch oder Ratgeberbuch vielleicht, sondern sie zeigen uns neue Perspektiven, bringen uns zum Nachdenken, provozieren Veränderung und erzeugen Inspiration. Bücher über das Leben habe ich in meinem Leben schon eine Menge gelesen. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wer ich ohne sie wäre und deshalb freue ich mich, dir hier etwas über solche besonderen und inspirierenden Bücher mitgeben zu können.
2. Was sind Bücher über das Leben?
Bücher können dein Leben verändern. Ich kann wahrscheinlich gar nicht mehr die Momente zählen, in denen mich ein guter Plot aus einer kniffligen Situation gerettet hat oder ich eine Lebensweisheit einer Romanfigur für mich verinnerlichen konnte. Bücher über das Leben erzählen von Menschen und ihrem Schicksal oder auch von der Natur, der Erde und dem Universum. Bücher lehren uns neue Blickwinkel, wecken Emotionen und manchmal kratzen sie auch an uns – vielleicht weil uns ein bestimmter Aspekt berührt, aufrüttelt oder sogar erschüttert.
Ich höre (während des Reisens) nicht auf, zu lesen. Dies ist nach meiner Überzeugung notwendig: einmal, um nicht mit mir allein zufrieden zu sein; sodann, um, wenn ich erfahren, was andere gefunden haben, ihre Entdeckungen zu prüfen und auf neue Entdeckungen zu sinnen. Seneca
Bücher unterhalten natürlich, aber sie sind auch reich an Entdeckungen, die unseren Horizont erweitern und zu geistigem Wachstum beitragen. In der Literatur steckt eine Vielzahl an Eindrücken und Reisen, Gesprächen, Abenteuern und Beziehungen, die im Film einfach oft zu flüchtig wären und die im realen Leben nicht zu leisten wären. Für mein Foto- und Interviewformat #humansofbooks habe ich vor kurzem eine Frau getroffen, die ein Buch über Menschen und ihre Reisen las. Sie erzählte mir, dass sie selbst gerne reise und sich so inspirieren lasse. Romane bilden unseren Charakter und formen den Verstand. Umso wichtiger und interessanter ist, wie wir die passenden Bücher für uns auswählen und wo wir sie finden.
3. Wie finde ich das Buch, das ich lesen möchte und das zu mir passt?
Manche Menschen werden besonders von Romanen mitgerissen, andere wiederum lassen sich besonders von Biographien inspirieren und motivieren. Die eine identifiziert sich besonders gut mit Protagonistinnen aus der Literatur des 18. Jahrhunderts, und wiederum ein anderer hat es eher auf Graphic Novels abgesehen. Dabei ist es immer gut, offen für neue Genre, Stile und Perspektiven zu bleiben. Ich mag in dem Zusammenhang ein Zitat von Henry Ford:
“Wer immer nur tut, was er schon kann, bleibt nur das, was er schon ist.”
Das lässt sich nämlich auch ganz einfach auf unser Leseverhalten übertragen: Wenn wir immer nur lesen, was wir schon kennen – wie sollen uns dann ganz neue Inspirationen finden? Wo also finden wir sie nun, diese neuen Inspirationen. Im Grunde überall: Nimm dir einmal Zeit und schlendere durch eine Bibliothek oder stöbere in einer schönen Buchhandlung. Lies die Klappentexte und befrage, wenn du Lust hast, die Buchhändlerin (Denn eigentlich ist doch jede gute Buchhändlerin und jeder gute Buchhändler eine Bibliotherapeutin bzw. ein Bibliotherapeut, oder?).
Ebenso lohnt es sich im Internet auf Entdeckungsreise zu gehen: Es gibt viele liebevoll gestaltete Literatur-Blogs, Plattformen, Foren in denen sich über Bücher ausgetauscht wird. Bleibe neugierig und interessiert und das richtige Buch wird dich ganz sicher finden. Intuition und Zufall spielen dabei eine wichtige Rolle. Suchst du einen Roman zu einer ganz bestimmten Lebenssituation, bist du auch herzlich eingeladen auf Literaturpower zu suchen.
In jedem Falle gilt: Kein Buch ist wie das andere und manchmal ist es ratsam, einem Genre eine zweite Chance zu geben, wenn das erste Buch noch nicht gepasst hat. Egal ob es nun Bestseller, Klassiker oder Heftromane sind – was dich berührt und weiterbringt ist immer subjektiv und von vielen individuellen Faktoren abhängig.
4. Wie können uns Bücher über das Leben beeinflussen?
Subjektiv und individuell. Trotzdem lassen sich ein paar allgemeingültige Fakten über den Einfluss von Büchern auf unsere Wahrnehmung festhalten. Ausführlich habe ich das an dieser Stelle beschrieben: Bibliotherapie. Hier werde ich nur in wenigen Sätzen zusammenfassen, wie Bücher über das Leben uns motivieren, bereichern, herausfordern und stärken können. In guten Büchern wird unser Verständnis geprägt, wir erweitern unser Wissen und hinterfragen unsere Einstellungen.
Durch die Identifikation mit den ProtagonistInnen wird unsere Empathie gestärkt, aber auch unsere soziale Kompetenz und sogar Resilienz. Wir erweitern automatisch unseren Erfahrungsschatz und können in Krisenzeiten aus einem größeren Bestand an Lösungen und Ideen schöpfen. Romane lösen Emotionen aus. Das kann zum einen befreiend und erleichternd wirken, aber auch Reibung und Widerstand hervorrufen. Gerade in solchen Momenten lernen wir nicht nur einiges über die Welt und Perspektiven da draußen, sondern auch in unserem Innersten. Lesen ist Entdecken, Eintauchen, Motivation und Inspiration. Viele spannende Buch- und Lese-Empfehlungen findest du auf Literaturpower, ein paar ausgewählte Empfehlungen von AutorInnen, BloggerInnen und LeserInnen präsentiere ich dir hier:
5. Leseempfehlungen von begeisterten Leserinnen und Lesern
Auf Facebook habe ich gezielt um jene Buchempfehlungen gebeten, die uns etwas über das Leben lehren.
Hier sind die Fragen:
Was hat dich an diesem Buch fasziniert, inspiriert oder bereichert?
Welche Aspekte des Lebens werden aufgeworfen?
Warum empfiehlst du gerade dieses Buch?
Und hier die Antworten:
“Ich empfehle definitiv „Ludvig, meine Liebe“ [Katarina von Bredow]. Das Buch hat ein Thema behandelt, das als Tabu gilt – Inzest und die Liebe zwischen Geschwistern. Und zwar sehr realistisch, mit den Problemen und allem, aber auch mit den üblichen schönen Momenten einer Liebesgeschichte.
Das Buch hat mir gezeigt, dass es okay ist nicht unbedingt so zu denken wie der Rest der Gesellschaft. Das nicht alles, was gesellschaftlich verwerflich ist auch böse ist. Es lehrt einen, in meinen Augen, einfach viel darüber, dass es immer einfacher ist zu reden und zu verurteilen als selbst in der Situation drin zu stecken. Und das die Situation, egal, wie böse und schändlich andere Menschen sie finden, nicht deswegen schlecht ist, wenn man sie selber toll findet. Oder man Glück empfindet. Es zeigt einfach das die Gesellschaft nicht immer das zeigt, was jeder fühlt sondern nur das, was sich irgendwer mal ausgedacht und als richtig empfunden hat.”
Lena Jäker
“Was mich vor kurzem wirklich nachhaltig beeindruckt hat, war die Krimireihe von Oscar de Muriel. Sie spielt in der viktorianischen Zeit, wo ein sehr ungleiches Ermittlerteam (Schotte und Engländer) in mysteriösen und scheinbar übersinnlichen Fällen ermittelt. Nach außen hin wirken beide wie richtig toughe Polizisten, aber jeder der beiden hat so seine Päckchen zu tragen, sie haben mit Zurückweisung und Tragik zu kämpfen, die einen hohen emotionalen Druck auf sie ausüben und ihnen manchmal die Tränen in die Augen treiben. Und gerade deswegen kann man sich mit ihnen gut identifizieren. Was mir auch gut gefallen hat, waren die Kriminalfälle, die immer übersinnlich anfangen, dann aber doch eine sehr irdische Auflösung erfahren. Viele Dinge oder Menschen sind eben nicht das, was sie nach außen hin zu sein scheinen, das ist die Lehre, die ich persönlich daraus ziehe. Deshalb: don’t judge a book only by its cover.”
Autorin Karin Kaiser
“Ein Buch, das mich enorm beeindruckt hat, war „The Gods Themselves“ von Isaac Asimov; auf deutsch erschienen unter dem Titel „Lunatico“. Der Streit zwischen den Wissenschaftlern im ersten Drittel zeigt wunderbar plastisch auf, wie wenig unser Handeln am Ende von hehren Zielen geleitet ist und wie sehr von persönlichen Eitelkeiten und Ängsten. Es hat mich damals sehr zum Nachdenken gebracht, nicht nur über meine Mitmenschen, sondern auch über mich selbst.”
Autor Markus Gerwinski
“Wow, also eigentlich ist es nicht ein Buch, sondern ein Zyklus von fünf Büchern, die aber alle in einem Band bei Piper erschienen sind. Titel: Melrose – Autor Edward St. Aubyn. Autobiographische Romane über das Leben in seiner ganzen Fülle. Da fehlt nix. Keine Höhen, keine Tiefen. Das ist pures Menschsein unter den schwierigen Bedingungen einer schwierigen Kindheit, obwohl Geld nicht unbedingt das Problem war und die Familie absolut in der englischen High Society angesiedelt ist oder war. Der harte Weg, raus aus Depression, Drogen, Geheimnissen über den Missbrauch in der Kindheit – der ein Leben lang anhält, wie es scheint, zum Teil unglaublich witzig erzählt, entlarvend, bissig, und gleichzeitig zu herrzerreißend ehrlich und auch warmherzig, dass das mein absolutes Inselbuch wäre. Hier ist alles drin, was Leben ausmacht und noch viel mehr. Klug, sprachlich und strukturell, konzeptionell brilliant.”
Bloggerin Brigitte von Freyberg
“Ich sag da sofort “Das Findelkind“ von Didier Cauweleart (frz. Un aller simple).
Dieses Buch nimmt uns mit auf die Reise von Aziz. In fast schon ironischer Art und Weise werden herkömmliche Denkstrukturen bezüglich Identität, Herrkunft, “Selbstvertrauen“ und woran man diese Dinge fest macht, hinterfragt und irgendwo zumindest teilweise ad absurdum geführt.
Unsere Welt besteht aus Symbolen….mitunter Symbolen der Abgrenzung oder der Überlegenheitsbekundung. Der Autor weist mit seiner Geschichte elegant daraufhin das wahres Glück nichts mit unserem Schwarz-Weiß Denken zu tun hat, sondern der Samen dafür in einer positiven Lebenseinstellung liegt.”
Klaus Bergmann
“Nach langem Nachdenken würde ich mich für „Chickensoup for the Soul“ von Jack Canfield [„Hühnersuppe für die Seele“]entscheiden. Meine beste Freundin hat mir das Buch geschenkt, nachdem ich die schlimmsten Monate meines Lebens durchgemacht habe und um ein Haar meinen kleinen Sohn verloren hätte. Das Buch gab mir so viel Hoffnung und Kraft und hat es echt geschafft, dass ich mein Augenmerk wieder auf die schönen Seiten des Lebens lenken konnte. Das Buch war der Beginn einer langen Entwicklungsreise, die noch nicht zu Ende ist.”
Autorin Anja Lehmann
Zum Schluss habe ich noch eine ganz konkrete Frage an dich, liebe Leserin und lieber Leser:
Was sind Bücher über das Leben für dich? Welche kannst du uns empfehlen? Über dein Kommentar unten würden ich und natürlich viele andere LeserInnen sich sehr freuen.
Neue Wege und neue Bücher
Neue Wege und neue Bücher
Die französische Schriftstellerin Christine Féret-Fleury hat aus dieser Erkenntnis heraus einen Roman verfasst, der über Bücherliebe und Leidenschaft für gute Literatur hinausgeht: er bietet die Erkenntnis, dass Bücher und Menschen unabdingbar zusammengehören. “Das Mädchen, das in der Metro las” ist deshalb auch nur auf den ersten Blick die romantisierte Erzählung über eine junge Frau und ihrer leidenschaftlichen Entdeckung der Literatur. Es ist eine Geschichte über das Leben mit tiefen und wahren Emotionen, kleinen Freuden, Verlusten und der Erkenntnis, dass Bücher die Kraft haben, unser Leben zu verändern.
Wann ist ein Buch ein Buch
In zahlreichen Rezensionen, Instagram-Beiträgen und Facebook-Kommentaren las ich, dass es sich bei “Das Mädchen, das in der Metro las”, um eine “Liebesgeschichte an das Buch” handelte. Ich glaube, dass damit aber nur die Hälfte gesagt ist, denn viele Menschen machen sich schon gar keine Gedanken mehr über die Bedeutung und den Wert von Büchern. Ich wage sogar so weit zu gehen und behaupte, dass der Begriff “Buch” für einige Menschen leer ist. Vielleicht nicht für dich und mich, aber für andere, die anders aufgewachsen sind, denen seltener vorgelesen wurde oder denen die fantasievollen Welten unserer innigen Lesestunden verwehrt blieben. Und ich werde sogar noch provokanter und behaupte, dass selbst wir, die wir gute Bücher zu schätzen wissen, oft genug den wahren Wert der Literatur aus den Augen verlieren.
Der wahre Wert der Literatur
Das klingt natürlich etwas pathetisch und den “wahren Wert” der Literatur muss wahrscheinlich jede Leserin und jeder Leser für sich selbst definieren. Für meine Recherche über “Das Mädchen, das in der Metro las” habe ich mich auch mal in französischsprachige Foren begeben und wurde ganz selig ob der wundervollen Liebeshymnen auf die Literatur im Allgemeinen und diesen Roman im Speziellen. Juliette, unsere Protagonistin, ist eigentlich keine Heldin. Ihr haftet etwas passives, unsicheres an und dennoch trifft sie immer wieder überraschende Entscheidungen. Sie nimmt unvorhergesehene Wege, lässt sich auf Abenteuer ein und widersetzt sich hier und da den Konventionen und Erwartungen ihrer Umgebung.
Neue Wege und neue Bücher
Auf ihren Wegen trifft Juliette den kauzigen Soliman und seine Tochter Zaïde. Sie beide leben in einer großen Bücherhalle. Soliman hat es sich quasi zur Lebensaufgabe gemacht, Bücher unter die Menschen zu bringen. Juliette wird ihm dabei helfen.
Bald wird auch sehr deutlich, dass das “Mädchen, das in der Metro las” nicht eben nur Bücher liest, sondern vor allem Menschen.
Und hier kommen wir zu einem entscheidenden Punkt des Buches: es geht nicht allein um fiktive Geschichten und deren Unterhaltungswert. Die Botschaft lautet, dass Literatur von Menschen für Menschen gemacht ist. Diesen Gedanken sollten wir nochmal kurz auf uns wirken lassen.
Bücher haben immer mit Menschen zu tun und indem wir ein Buch lesen, lernen wir vieles über andere Menschen, über uns selbst und über das Leben. Wir erleben die Welt in einem Buch. Es gibt so einen Spruch, der besagt, dass Menschen, die niemals reisen, immer nur eine Seite von einem dicken Buch lesen. Aber dieser Sinnspruch lässt sich aus meiner Sicht auch umdrehen: Menschen, die viele Seiten lesen, reisen weiter und sehen mehr, als wir das in Person mit Koffer und Flugzeug jemals schaffen können.
Bookcrossing und Bibliotherapie
“Der nächste Kurier […]. Er muss einen Leser für die Bücher aussuchen. Oder eine Leserin. […] Man teilt jemandem ein Buch nicht einfach so aus Trotz oder einer Laune heraus zu oder weil man jemanden provozieren oder beunruhigen will, es sei denn, das geschieht absichtslos. Meine Kuriere besitzen großes Einfühlungsvermögen: Sie spüren in ihrem tiefsten Innern, welche Enttäuschungen und welcher Groll sich in einem menschlichen Körper verbergen, den auf den ersten Blick nichts von anderen unterscheidet.”
Jetzt sitze ich hier schon mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht, denn dieser Roman verbindet auf feinsinnige und elegante Weise die zwei größten bibliophilen Leidenschaften in meinem Leben: Bibliotherapie und Bookcrossing. Die Idee, Bücher immer wieder in Umlauf zu bringen, aber ganz gezielt und immer das richtige Buch für die jeweilige Person – das ist Musik in meinen Ohren.
“Man lehrt uns Misstrauen, überlegte sie, während sie gegen den schweren Torflügel drückte, der sich langsam aufschob, als habe er keine rechte Lust dazu. Immer denkt man gleich das Schlimmste. Es geht darum, anderen Menschen Bücher zu geben, damit es ihnen im Leben besser geht – wenn ich es recht begriffen habe …”
Die Autorin Christine Féret-Fleury ist Französin. Während Bookcrossing hierzulande verbreiteter ist als in Frankreich, ist die Bibliotherapie im französischen Selbstverständnis besser verankert als im deutschsprachigen Raum.
Bücher und Menschen müssen reisen
Für Juliette, die oft lesend in der Metro saß und dabei andere lesende Menschen beobachtete, sind weder Bookcrossing noch Bibliotherapie selbstverständlich. Zumindest nicht zu Beginn ihrer bibliophilen Reise. Doch immer mehr verstrickt sich Juliette in die Geschichten und Bücher und muss sich zuletzt sogar noch den Rat geben lassen, dass ein Leben nur in Büchern ebenso ungesund sei, wie ein Leben komplett ohne Bücher:
“Gehen Sie raus an die frische Luft, Juliette, lassen Sie sich den Wind um die Nase wehen. Lauschen Sie ihm. Sie haben viel zu lange ihre Nase nur in Bücher gesteckt. […] Bücher und Menschen müssen reisen.”
Ich danke der Autorin Christine Féret-Fleury für diese feinsinnige und lebensphilosophische Lektüre, die meiner Leidenschaft für Menschen und Literatur bis ins Kleinste entspricht. Ich danke ihr für eine Geschichte voller Freundschaft, Verlust, Liebe, Selbstfindung und Träume.
“Das Mädchen, das in der Metro las” ist ein Buch über das Leben.
Schau dir das Buch bei Amazon an!
Du darfst vor allem nicht resignieren!
Du darfst vor allem nicht resignieren!
Welche Bilder entstehen jetzt vor deinem inneren Auge? Fühlt sich das für dich nach Freiheit an? Oder hat es vielleicht eher etwas Bedrohliches? Für Ruth, die Protagonistin in Anita Brookners Roman “Ein Start ins Leben” bedeutet der Umzug von London nach Paris vor allem Freiheit, Neustart und Selbstverwirklichung. Aber nicht nur das; Ruth flieht auch vor der drohenden Resignation, die sich in ihrem Leben ausbreitet.
“Ein Start ins Leben”
Der englische Schiftsteller Julian Barnes schrieb in seinem eindrucksvollen, intimen Vorwort zu “Ein Start ins Leben” über Anita Brookner: “Eine Autorin, die man nur allzu leicht mit ihren Protagonistinnen verwechselte”. Anita Brookner war wohl nicht nur Kollegin für ihn, sondern auch gute Freundin und ein bisschen bewunderte er sie und ihren starken Charakter. Ich muss zugeben, dass es mir leicht fällt, nach der Lektüre klare Parallelen zwischen Autorin und Protagonistin auszumachen. “Ein Start ins Leben”, ihren Debütroman, verfasste die einflussreiche Kunsthistorikerin bereits in den 80er Jahren.
2018 wird er nun im Eisele-Verlag neu aufgelegt. Bereits nach dem Vorwort bin ich mir sicher, dass hier eine sehr besondere Frau schreibt und der Roman ein Gewinn für mich sein wird. Ich wurde nicht enttäuscht.
Toxische Beziehungen und die Sehnsucht nach dem Leben
Der Rahmen, in dem Ruth als Kind aufwächst, lässt sich als toxisch beschreiben. Von ihrer Mutter nicht gewünscht – da schädlich für deren Schauspielkarriere – wird das schüchterne Mädchen vor allem von ihrer Großmutter erzogen, die schweigsam und nachdenklich ist. Ihre Eltern sind sehr mit sich und ihrem Ego beschäftigt. Ehrliche Zuneigung, Anerkennung und Aufmerksamkeit – wie es jedes Kind braucht – bleiben somit auf der Strecke. Ruth bekommt schnell den Eindruck, dass sie nicht wichtig ist. Zumindest nicht für die Menschen, die sie umgeben und die für sie wichtig sind.
Wer jetzt glaubt, dass sich daraus ein harter Charakter voller Gefühlskälte und Verschlossenheit entwickelt, irrt. Ruth liest Bücher und erhält besonders durch die vielen Geschichten, die sie in sich aufnimmt, die Hoffnung auf ein schöneres, aufregenderes Leben. Sie bleibt aufgeschlossen, mutig und leider auch ein gutes Stück naiv. Denn statt selbstbewusst ihren Weg zu gehen, sind es immer wieder egoistische und selbstbezogene Menschen, auf die sich Ruth einlässt. Auch die schädlichen Bande zu ihren Eltern löst Ruth leider nicht auf. Selbst nach ihrem Umzug nach Paris bleibt das Gefühl der Verantwortung und Pflicht stärker als der Drang nach Freiheit. Die strengen, anerzogenen Routinen beherrschen sie und ihr Denken.
“Sie war eine Gefangene in ihrer Zelle, und zusätzlich zu ihren äußerlichen Zwängen hatte sie sich in einen festen Tagesablauf eingesperrt, der jegliche Freiheit und Impulsivität so nachhaltig unterdrückte, als wäre er ihr von einem Polizeistaat auferlegt worden. Jeden Morgen fuhr sie mit demselben Bus in die Bibliothèque Nationale. Jeden Mittag aß sie ein Sandwich in demselben Café. Jeden Abend tauchte sie zu ihrem Bad auf und kehrte dann frierend in ihr Zimmer zurück, wo sie die Probleme wachsender Einsamkeit erwarteten, wie ihr allmählich klar wurde.”
Es braucht eine Zeit, bis Ruth in ihren eigenen Routinen ertrinkt. In gewisser Weise hatte sie vielleicht auch schon resigniert und sich der Langeweile und der Gleichgültigkeit ihres Daseins ergeben. Sie kann das zwar reflektieren, aber nur sehr allmählich Konsequenzen für sich ziehen.
“Wenn der moralische Code korrekt war, den die Literatur sie gelehrt hatte und die sie jetzt neu zu interpretieren begann, hätte sie ja großen Erfolg haben müssen in ihrem schweren unvorteilhaften Mantel, in ihrer fleißigen Einsamkeit, mit ihren Notizen und ihrer täglichen Busfahrt und den gesunden einsamen Spaziergängen.”
Mit der Zeit werden ihre Zweifel an diesem moralischem Code größer und der Drang nach Leben keimt in ihr auf: “Ruth, die das alles größtenteils instinktiv wusste, begann die Welt aus der Perspektive des Balzac’schen Opportunismus zu betrachten. Ihre Einsicht wuchs. Sie begriff, dass die meisten moralischen Erzählungen falsch lagen, dass auch Charles Dickens falsch lag, und dass man die Welt nicht durch Tugend gewinnt.”
Mit Zuversicht und Hoffnung in die Welt
Die tugendhafte Ruth ist auch dann noch tugendhaft und großherzig, wenn sie eine Affäre mit einem verheirateten Mann eingeht. Sie steht in starkem Kontrast zu ihren Mitmenschen, die immer irgendwie seltsam anmuten. Ruth wehrt sich nicht gegen die schlechte Behandlung durch ihre Freunde und ihre Familie. An mancher Stelle scheint es sie sogar kaum zu stören, denn sie hat schließlich nie zwischenmenschliche Wertschätzung erhalten. Wie soll sie diese dann auch vermissen?
Die bereits angesprochenen toxischen Beziehungsmuster wiederholen sich in ihrem Leben. Trotz aller Möglichkeiten, die sich ihr bieten und trotz der Zuversicht, die sie aus der Literatur geschöpft hat, resigniert Ruth zunehmend. Ihre Introvertiertheit und ihre Unfähigkeit die eigenen Bedürfnisse zu artikulieren, werden ihr zum Verhängnis. Ich kann beim Lesen nicht anders, als immer wieder den Kopf zu schütteln und manchmal sogar die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen.
Ich fühle große Enttäuschung, aber auch Mitgefühl. Wer “Ein Start ins Leben” liest, sieht vielleicht nüchterner, wie es um viele zwischenmenschliche Beziehungen steht, aber auch klarer. Das Bedürfnis nach Selbstfürsorge und gesundem Egoismus wächst mit jeder Seite.
Ein Stückchen Rebellion
Manche Passagen im Buch haben mich ein bisschen wehmütig gemacht, weil ich selbst auch mit Anfang zwanzig nach Paris “geflüchtet” bin, um dort etwas von der Welt zu sehen. Es tut so gut auf diese literarische Weise in die bekannten Parks und Museen entführt zu werden, an die so viele wundervolle Erinnerungen geknüpft sind. Dabei romantisiert Brookner Paris in keiner Weise.
Wir erleben hier nicht die verklärte Idylle einer “Stadt der Liebe”, die sicher zahlreiche andere Romane schmückt. Trotzdem hat die Stadt einen positiven Einfluss auf Ruth. Paris besitzt diese elegante Strenge, die Ruths Selbstbewusstsein stärkt und in ihr ein Stückchen Rebellion auslöst.
“Egoismus und Gier und Arglist und Extravaganz hatten sie in dieses Bild einer selbstsicheren, attraktiven Frau verwandelt, hatten das Wunder bewirkt und sie gezwungen, erwachsen zu werden und sich auf kompetente Art mit der Welt auseinanderzusetzen. Die Leute schienen sie mehr zu mögen, seit sie so war.”
Egoismus, Gier und Arglist mögen zwar keine positiven Attribute sein, man kann sie Ruth jedoch nicht verdenken und zumindest ich hätte mir am Ende ihrer Reise ein Stückchen mehr (viel mehr!) von dem allen für sie gewünscht.
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Hier geht's zum Motivations-Paket!6 Tipps für deinen eigenen Roman | Gastartikel von Christian Milkus
6 Tipps für deinen eigenen Roman
Gastartikel von Autor Christian Milkus
Hast du auch diesen Traum, einmal dein eigenes Buch in den Händen zu halten? Vielleicht hast du ja sogar schon mit dem Schreiben begonnen, aber dein Projekt nie zu Ende gebracht. Einen eigenen Roman schreiben – immer mehr Menschen erfüllen sich diesen Lebenstraum und du könntest einer von ihnen sein. Der Berliner Autor Christian Milkus gibt uns ein paar spannende Einblicke in seine Arbeit, räumt mit Illusionen auf und verrät, wie du dein Projekt „Einen Roman schreiben“ erfolgreich durchführen kannst.
Nicht nur eine Idee, sondern einen Plot
Schon viele ambitionierte Autorinnen haben ihre Romanprojekte abgebrochen, weil sie irgendwann lernen mussten, dass ihnen von Anfang an das Grundlegende gefehlt hat: der Plot. Sie hatten wirklich tolle, kreative Ideen, aber eine Idee alleine ist keine Basis für eine gute Geschichte. Von Dämonen besessene Katzen mögen sich vielleicht nach DEM kommenden Bestseller anhören, aber der Gedanke alleine bietet keine Story.
Du brauchst einen Konflikt, also zwei Parteien (Protagonist und Antagonist), die unterschiedliche Interessen verfolgen und deswegen aneinandergeraten. Der Ring, der alle knechtet, klingt verdammt cool, aber ohne einen Bösewicht, der ihn an sich reißen, und einen sympathischen Helden, der ihn zerstören will, kommt kein Roman zustande. Denke dir also einen Plot aus, bei dem automatisch die Fetzen fliegen. Wenn Hannelore verhindern will, dass Sabine und Karl-Heinz heiraten, dann bietet allein dieser Konflikt schon zahlreiche Möglichkeiten, eine tolle Geschichte zu entwickeln.
Tipp: Versuche deinen Plot in 1-2 Sätzen zusammenzufassen. Diese müssen den Protagonisten, sein Ziel und den Antagonisten beinhalten. Sollte dir das nicht gelingen, liegt es meistens am fehlenden oder am zu komplexen Plot. Möchtest du deine Geschichte nicht planen, sondern einfach drauflos schreiben, dann benenne bloß den Konflikt in wenigen Worten und nutze ihn als roten Faden zur Orientierung beim Schreiben.
Von klein nach groß
Wenn du dich über Monate hinweg in den Zeilen deiner Geschichte vertiefst, verlierst du irgendwann den Blick von oben. Roter Faden, Szenenaufbau, Spannungsbogen, parallele Handlungsstränge, Charakterentwicklungen, Schreibstil, Satzmelodie und so weiter – all das im Blick zu behalten, ist eine wahnsinnig schwere Herausforderung, gerade für Anfänger.
Versuche dich als Architekturstudentin nicht gleich an einem Wolkenkratzer, sondern fange erstmal klein an. Schreibe lieber erst einen abgeschlossenen Roman statt einer komplexen Trilogie und lieber ein dünnes Buch statt eines dicken Schinkens. Ich empfehle sogar, dich zunächst an Kurzgeschichten auszuprobieren. So läufst du nicht Gefahr, nach 200 geschriebenen Seiten nochmal alles über den Haufen werfen zu müssen, weil du in eine Sackgasse geraten bist und die Geschichte nicht so funktionieren will, wie du dir das vorgestellt hattest. Stattdessen kannst du dich in Ruhe ans Schreiben herantasten.
Schreib drauf los, tobe dich aus und klopfe ab, wo deine Stärken und Schwächen liegen. Kurze Texte sind außerdem einfacher zu analysieren, zu überarbeiten und von Dritten testlesen zu lassen. Nicht zu vernachlässigen ist auch der psychologische Effekt, wenn du ein Schreibprojekt beendest. Er kann dich unendlich motivieren.
Schaffe dir eine Routine nimm dir die Zeit
Du wirst schnell merken, dass Schreiben harte Arbeit ist. Den Mythos, dass dich die Muse küsst und du innerhalb einer kreativ-sprudelnden Nacht ein Meisterwerk ablieferst, solltest du schnell begraben. Sicherlich, es gibt Phasen, in denen läuft es super, doch es gibt auch Phasen, in denen der Kopf größtenteils auf der Tischplatte liegt. Du wirst verdammt viel Zeit brauchen, und wenn du immer nur dann schreibst, wenn es dir gerade in den Kram passt, wirst du kaum vorankommen. Schaffe dir also deine Freiräume. Am besten funktioniert es, wenn du eine Session vorplanst und dich an den von dir gesetzten Termin auch strikt hältst, zum Beispiel heute Abend nach der Arbeit von 19-20 Uhr.
Übrigens bin ich keiner von denen, die predigen, dass man sich zwingend jeden Tag quälen muss, aber wenn du einen Roman schreiben willst, empfehle ich dringend eine gewisse Regelmäßigkeit. Manche schreiben jeden Morgen vor der Arbeit, andere sitzen am Wochenende acht Stunden an ihrem Manuskript. Am besten probierst du einfach aus, was für dich funktioniert, und legst dann eine Routine fest, die dich zwar nicht überfordert, es dir aber auch nicht zu ›gemütlich‹ macht. Sie sollte dich auch dann mal zum Schreiben zwingen, wenn du gerade keine Lust oder Motivation hast.
Jetzt fang doch endlich mal an!
Es ist okay, sich vorher über das Schreibhandwerk zu informieren. Ich empfehle sogar, Blogartikel zu lesen (was du ja gerade tust), in Facebook-Gruppen zu stöbern, in Schreibratgeber reinzuschauen und dich mit anderen auszutauschen. Es ist auch völlig in Ordnung, wenn du deine Geschichte vorm Schreiben erstmal gründlich planen willst. Trotzdem solltest du irgendwann den Punkt finden, an dem du loslegst. Zugegeben, das ist eine große Überwindung und du wirst dich nicht dazu bereit fühlen. Andererseits wirst du dich niemals bereit fühlen, daher musst du dich irgendwann zwingen, sonst bleibst du auf ewig einer der »Einen Roman wollte ich auch immer mal veröffentlichen«-Leute. Das Schreiben lernst du nur, wenn du schreibst, genau wie Schwimmen und Fahrradfahren. Also los geht’s!
Ignoriere den inneren Kritiker
Ob Goethe, Shakespeare oder deine Wenigkeit – der erste Entwurf ist immer … sagen wir ›suboptimal‹. Es ist völlig normal, sich nach ein paar geschriebenen Seiten zu fragen, was für einen Mist du eigentlich verzapft hast. Das bedeutet nicht, dass du nicht schreiben kannst, sondern bloß, dass du noch an deinem Text arbeiten musst. Und das ist völlig okay, denn den ersten Entwurf braucht ja keiner zu lesen und du kannst ihn später immer noch so oft überarbeiten, wie du möchtest. Sieh also zu, dass du erstmal ein Gerüst fertigstellst, so fragil das auch erscheinen mag.
Das Problem, wenn du gleich von Anfang an einen guten Text verfassen möchtest, ist: Du brauchst für jeden Absatz eine halbe Ewigkeit, weil du immer nachdenkst, überarbeitest, Sachen umwirfst. Du wirst kaum vorankommen und schlimmstenfalls frustriert abbrechen. Daher mein Tipp: Schraube deine Ansprüche gnadenlos herunter! Akzeptiere, dass du ›schlecht‹ schreiben wirst und sieh erstmal zu, dass du das magische Wort ›ENDE‹ erreichst. Das allein ist schon ein Meilenstein, auf den du wahnsinnig stolz sein kannst. Aufpolieren kannst du deine Worte danach immer noch.
Suche dir Mitstreiter
Einzelkämpfer haben es schwer, ganz besonders unter Autoren. Ich rate dir, dir möglichst früh Mitstreiter zu suchen, mit denen du dich über das Schreiben austauschen kannst. Autorenkollegen können dich informieren, motivieren und inspirieren. Das Wichtigste dabei ist jedoch die gemeinsame Arbeit an euren Texten. Und das ist meiner Meinung nach nicht nur ein Vorschlag, sondern ein Muss, denn ohne Testleser wirst du dich kaum weiterentwickeln. Mit jeder Stunde, die du an deinem Text arbeitest, verlierst du an Distanz. Ein Tunnelblick wird sich einstellen, und du wirst kaum einschätzen können, wo du mit deiner Geschichte stehst, ob sie gut ist und wo deine Schwächen liegen.
Der Blick von außen ist daher unverzichtbar, auch wenn es dir vielleicht unangenehm ist, anderen Leuten einen unfertigen Text zu zeigen. Wann immer du das Gefühl hast, im Text nicht weiterzukommen, egal, wie sehr du dir den Kopf darüber zerbrichst – frag nach Hilfe!
Übrigens: Testlesen ist eine Sache des Gebens und Nehmens. Es ist nur fair, sich gegenseitig zu unterstützen, zumal das Testlesen sehr zeitaufwändig ist. Es bietet auch eine wunderbare Möglichkeit, deinen Horizont zu erweitern, da du bei der kritischen Analyse eines fremden Textes mit einem ganz anderen Blick (als Autorin) an die Sache herangehst, als wenn du bloß Leserin bist.
Fun fact: Stephen King lässt auch heute noch jedes seiner Werke von seiner Frau testlesen, bevor er sie überarbeitet. Sie ist keine Literaturkritikerin und auch keine Lektorin – bloß eine kritische Hobbyleserin.
Gastautor Christian Milkus
Hallo zusammen! Ich heiße Chris, wohne in Berlin und habe jetzt Lust auf einen Kakao. Wenn ich mich nicht gerade auf Twitter herumtreibe, schreibe ich Dark-Fantasy-Geschichten mit magischen Königreichen und fantastischen Tieren.Ich mag Fußball, Essen, Horrorfilme und warmes Wetter. Im Winter verkrieche ich mich zu Hause, im Sommer findet ihr mich im Park oder am Wasser. Ich bin ein Morgenmensch und schreibe vor allem vor der Arbeit.
Literaturpower möchte Leserinnen und Lesern viele interessante und hilfreiche Informationen rund um das Thema Literatur, Bücher und Lesen bieten. Dafür kommen auch GastautorInnen zu Wort. Wenn du auch einen Gastartikel über ein spannendes Thema schreiben möchtest, melde dich gerne über das Kontaktformular unten auf dieser Seite: Über Literaturpower.
An alle Mamas dieser Welt: SO NICHT!
An alle Mamas dieser Welt: SO NICHT!
Ich liebe reißerische Überschriften. Wenn du jetzt hier bist, weil du wutentbrannt geklickt hast, um dir nicht sagen zu lassen, was du tun und lassen sollst, dann kann ich dich beruhigen. Mit “SO NICHT!” meine ich nämlich genau das: Lass dir nicht sagen, was du tun und lassen sollst. Frech oder?!
Du darfst dich jetzt aber entspannen und die folgenden liebevollen Sätze auf dich einrieseln lassen, um zu erkennen, dass es wirklich Menschen gibt, die großen Respekt vor deiner täglichen Leistung haben. Mutter sein ist nämlich … Ja, was ist Mutter-Sein denn eigentlich? Wahrscheinlich so viel mehr, als ich hier in ein paar Zeilen festhalten könnte. Gill Sims hat einen ganzen Roman darüber geschrieben – “Mami braucht ‘nen Drink” – und dieser hat es in sich.
Kinder kriegen ist nicht schwer, Mutter sein dagegen sehr.
Wenn du die Tagebücher der Bridget Jones mochtest, wirst du auch “Mami braucht ‘nen Drink” lieben. Jetzt sag mir nicht, du kennst Bridget Jones nicht. Ehrlich nicht? Dann komm bitte wieder, wenn … Nein, Spaß! Bleib hier! Ellen, die Hauptfigur im Roman “Mami braucht ‘nen Drink” ist eine moderne Bridget Jones: eine Frau, die unterhaltsam, extrovertiert, schlagfertig und dabei immer etwas kopflos ist. Okay, Ellen ist etwas schlagfertiger und frecher als Bridget. Aber das tut ja nichts zur Sache, wenn du Bridget eh nicht kennst. (Verstehe ich einfach nicht!)
Worum geht es jedoch in unserem Roman? Eines lässt sich auf alle Fälle schon mal festhalten: Es ist eine Komödie. Vom zaghaftem Kichern bis zum lauten Loslachen war für mich alles dabei und zwar von der ersten bis zur letzten Seite. Im Roman wird das moderne Familienleben zum Teil überspitzt dargestellt. Wie das manchmal so ist, werden auch die altbewährten Klischees breitgetreten und stereotypische Charaktere gezeichnet, aber im Ernst: Das macht die Szenen im Roman nicht weniger lustig und glaubwürdig.
Eine absolut mustergültige Mutter
“Mami braucht erstmal einen Drink.” Nunja, was soll ich sagen … Alkohol fließt in rauen Mengen. Wieder: das kennen wir ja auch schon von Bridget (ich zumindest). Warum fließt so viel Alkohol? Ellen geht auf die Vierzig zu, hat zwei Kinder, einen muffeligen, manchmal sogar ignoranten Ehemann Simon und einen IT-Job, der sie nicht wirklich erfüllt.
In ihrer Umgebung scheint ein unerträglicher Perfektionismus an den Tag gelegt zu werden, der Ellen stresst und nervt. All die unausgesprochenen Erwartungen und Vorhaltungen machen ihren eh schon hektischen Alltag nicht unbedingt entspannter. Als berufstätige Mutter kann sie ihren Kindern nicht die Zeit und den Luxus bieten, den andere Mütter mit reichen Ehemännern und Kindermädchen haben.
“Erster Schultag. Ich habe mir fest vorgenommen, meinen Kindern dieses Jahr eine absolut mustergültige Mutter zu sein. Ich werde es schaffen. So sieht meine Tagesplanung für das kommende Schuljahr aus:”
Es folgt eine detaillierte Aufzählung all der Handlungen, die Ellen als perfekte und liebevolle Mutter und Ehefrau darstellen sollen. Alles ist wunderbar eingespielt, kein Klischee wird ausgelassen und natürlich erfahren wir auch schon bald, wie sich die Realität darstellt: Chaos, Stress und Ärger.
Ich liebe den “Scheiß-drauf-Freitag”, den Ellen eingeführt hat und weiß, dass ich ihn ab jetzt auch unbedingt zelebrieren muss. Einen Tag lang in der Woche einfach mal alle fünfe gerade sein lassen. Das wird spaßig. Für Ellen ist das zwar nicht immer so lustig, denn sie kombiniert den Scheiß-drauf-Freitag gerne, wie gesagt, mit viel Alkohol und impulsiven Lebensentscheidungen, aber ihre guten Freunde Hannah und Sam retten sie da schon immer irgendwie wieder raus.
Hürden und Herausforderungen des Elternseins
“Verfluchtes Scheißleben. Da soll noch einer fragen, warum ich dem Gin zugetan bin. “Kinder sind ja so ein Segen” heißt es immer, und dass man jeden Augenblick mit ihnen genießen soll, weil sie so rasch erwachsen werden. Pfff. Die Mutter möchte ich sehen, die in der Lage ist, einen Nachmittag wie den heutigen zu genießen.”
Habe ich schon gesagt, dass Ellen kein Blatt vor den Mund nimmt? Und ich kann dir versprechen: Manchmal wirst du denken “Das kann sie doch so nicht sagen!” Trotzdem (oder gerade deshalb?) ist es erleichternd, dass da mal jemand die Dinge beim Namen nennt und all die Hürden und Herausforderungen des Elternseins ganz direkt und unvermittelt ausspricht. Immerhin handelt es sich hier um eine Art Tagebuch (also ein sehr intimes und ehrliches Schriftstück), welches uns zwischen den teilweise kratzbürstigen Zeilen auch eine Menge Unsicherheit, Verletzlichkeit und Sorgen offenbart.
Hast du schon mal den Begriff “Sorge-Arbeit” gehört? (Wird manchmal auch Care-Arbeit genannt.) Wahrscheinlich nimmt sie bereits einen großen Raum in deinem Leben ein ohne richtig wertgeschätzt zu werden. All die Fürsorge, die du anderen Menschen zuteil werden lässt, fällt dort mit rein. Ich finde es sehr schön, dass dieses Thema im Roman viel Aufmerksamkeit bekommt und Ellen sich immer wieder lauthals einfordert, dass ihre Betreuungsarbeit und die Tätigkeiten im Haushalt nicht weniger wert sind als der Beruf ihres Mannes.
Bestimmt ließe sich dieses Thema noch weiter treiben, aber eine Sensibilisierung und damit auch Bewusstmachung der Arbeit, die eine Mutter leistet, ist viel wert. Solltest du bislang auch oft das Gefühl haben, dass deine Arbeit nicht wertgeschätzt wird, du aber Schwierigkeiten hast deine Unzufriedenheit in Worte zu fassen, dann lies diesen Roman! Um Worte ist Ellen nämlich keinesfalls verlegen.
Unerträglicher Perfektionismus: nicht mit mir!
Kennst du auch diesen unerträglichen Perfektionismus, von dem jede Mutter um dich herum besessen zu sein scheint? Und selbst wenn nicht, auch für Nicht-Mamas ist dieses Buch ein großer Spaß. Ich persönlich mag Romane, die in Tagebuchform verfasst sind, einfach sehr gern. Es liest sich flüssig, Ellens Wortwahl ist eingängig und direkt und ich gebe dir hiermit für deine Lektüre eine Schmunzelgarantie. Liebe Gill Sims, danke für diesen unterhaltsamen und inspirierenden Roman.
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Stelle dir diese Frage: Wie wichtig nimmst du dich wirklich?
Stelle dir diese Frage: Wie wichtig nimmst du dich wirklich?
Cluny ist nämlich etwas Besonderes. Natürlich sind wir alle etwas Besonderes. Du. Ich. Einfach wir alle. Aber wir, du und ich, wir vergessen das manchmal, oder? Cluny hingegen nimmt sich selbst auf eine gesunde Art und Weise wichtig. Was Cluny außerdem besonders macht, ist ihre Fähigkeit “Nein” zu sagen und auch damit tun wir, du und ich, uns ja oft schwer. Dabei ist Cluny keineswegs rebellisch. Zumindest nicht im eigentlichen Sinne.
Wer ist diese junge Frau Cluny Brown eigentlich und warum ist sie ein Vorbild in Sachen Selbstwert, „Nein“ sagen und sich selber wichtig nehmen?
Alles dreht sich um dich
In einer Buchrezension habe ich gelesen, dass “Die Abenteuer der Cluny Brown” ein historischer Roman mit Jane Austen-Ambiente sei. Woher die Autorin des Artikels diesen Eindruck bekam kann ich nur schwerlich nachvollziehen. Es handelt sich gewiss um einen ganz wundervollen historischen Roman, der in England spielt.
Cluny Brown jedoch würden wir mit Sicherheit in keinem der Romane von Jane Austen antreffen. Mögen die Frauen um 1800 auch eigensinnig und rebellisch gewesen sein (und hier sei angemerkt, dass ich eine der größten Verehrerinnen des schriftstellerischen Werkes von Austen bin), so steckt in Cluny doch ein ganz besonderer Charakter, der sich eben nicht einzig und allein um die Gunst der Männer dreht.
Du bestimmst wer du bist.
Die Geschichte spielt um 1938, kurz vor Beginn des zweiten Weltkrieges, die Nazis sind also bereits eine große Bedrohung. Trotzdem lebt die 21 jährige Cluny zusammen mit ihrem Onkel, einem Klempner, ein weitestgehend sorgenfreies und unbekümmertes Leben.
Cluny ist neugierig, verspielt und besitzt eine gute Portion Naivität, die ihr leider immer wieder zum Verhängnis wird. Die konservativen und spießigen Regeln der englischen Gesellschaft kann Cluny nur schwer nachvollziehen und geht deshalb ihrer eigenen Wege, was bei ihrer Familie leider gar nicht so gut ankommt. All die gesellschaftlich wichtigen Konventionen passen einfach nicht zu Cluny und deshalb mag sie sich auch ihnen auch nicht fügen.
Warum sollte sie denn nicht einen Tee im Ritz trinken oder nach getaner Arbeit bei einem Kunden baden? Einen Tag im Bett liegend Orangen zu essen ist doch auch kein Verbrechen? In den Augen ihres Onkels und der restlichen Verwandtschaft verhält sich Cluny höchst sonderbar und es wird ihr nahegelegt eine Arbeit anzunehmen, die ihr weniger Freiheiten für solche Ungezogenheiten erlaubt.
“Du lieber Himmel!”, rief Addie Trumper. “Was meint sie eigentlich, wer sie ist?” Da war sie wieder, die unvermeidliche Frage, die Cluny Brown immer wieder herauszufordern schien, obwohl die Antwort doch so offensichtlich schien. Denn wofür hätte man sie schon halten sollen?
“Was meinst du eigentlich, wer du bist?”
Diese Frage muss sich Cluny im Roman immer wieder stellen lassen, denn offensichtlich weiß sie es selbst nicht, hat aber auch wenig Lust, sich von ihrer Verwandtschaft vorschreiben zu lassen, wer sie denn nun eigentlich sein soll.
Wie würdest du antworten, wenn dir jemand diese Frage stellt?
Ich denke, dass die wenigsten Menschen mit rausgestreckter Brust und fester Stimme eine selbstbewusste Antwort geben können. Zumindest nicht im ersten Moment. Cluny geht es natürlich nicht anders. Rollen und Konventionen, die ihr jedoch zugewiesen werden, engen sie ein und darauf reagiert sie selbstbewusst.
“Ich bin mir selbst wichtig”, antwortet das taffe Dienstmädchen in einem ziemlich absurden Moment. Allgemein muten die meisten Reaktionen Clunys irgendwie absurd an, aber sie machen sie auch unheimlich sympathisch.
Du kannst tun, was du willst.
Cluny geht ihren Weg. Dabei ist sie keinesfalls arrogant oder gar übertrieben egozentrisch, aber sie sagt “Nein”, wenn ihr etwas nicht passt. Widerstand bleibt bei dieser systematischen Unangepasstheit natürlich nicht aus, aber die Welt mit Clunys Augen zu sehen, macht Spaß und bringt auch ihre Umwelt ordentlich ins Wanken.
Von Cluny können wir lernen, dass Konventionen auch nur von Menschen gemacht sind und wir uns nicht immer und um jeden Preis an sie halten müssen. Einfach mal mehr im Moment leben und nicht sofort mit vorauseilendem Gehorsam die Konsequenzen meiden.
“Ich habe nie verstanden, warum ich die Hälfte von dem, was ich wollte, nicht tun durfte. Irgendwie schien es auch nie einen richtigen Grund zu geben, es lag immer nur daran, dass die Leute diese Dinge selbst nicht tun wollten.”
Einladung, öfter mal “Nein” zu sagen
Wir fühlen uns heute (wahrscheinlich stärker als zu Clunys Zeiten) oft alleine gelassen mit der Frage, wer wir sind und wo unser Platz in dieser Welt ist. Das bedeutet, dass wir zwar bei der Ausschmückung unserer Vorstellung eines “guten Lebens” stärker auf uns gestellt sind, aber dabei eben auch eine ordentliche Portion mehr Freiheit haben.
Sharps Roman ist erfrischend ironisch ohne böswillig zu sein. Die Autorin zeichnet Ihre Figuren liebevoll. “Die Abenteuer der Cluny Brown” waren für mich auf der einen Seite eine leichte Sommerlektüre, aber auf der anderen Seite auch ein Weckruf und eine Einladung öfter mal wieder “Nein” zu sagen, Selbstfürsorge zu betreiben und auf meine eigenen Bedürfnisse zu achten.
Was glaubst du eigentlich, wer du bist?
Das kann ich zwar so leicht nicht beantworten, aber in jedem Fall bin ich wichtig und ich danke Margery Sharp sehr für diesen wundervollen Roman, der mir eine schöne Zeit verschafft hat.
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Glücklich und wertvoll mit Übergewicht? Ja!
Glücklich und wertvoll mit Übergewicht? Ja!
Es gibt viele Dinge über die ich nur den Kopf schütteln kann, aber dass wir Menschen uns mit all unseren menschlichen Eigenschaften gegenseitig und auch uns selbst so sehr verachten, finde ich sehr, sehr schlimm.
Schönheitsideale. Wer braucht sowas? Und kommt mir jetzt bitte nicht mit Evolution, biologischen Vorgaben und so weiter. Darauf gebe ich in diesem Zusammenhang einfach nichts und es macht mich oft traurig, wenn ich sehe wie vielen Frauen und Männern die Fähigkeit zur Selbstliebe abgeht.
In diesem Artikel stelle ich das Buch “Erdbeerzeit” von Anja Siouda vor. Einfühlsam beschreibt die Autorin den Leidensweg einer jungen Frau, deren Übergewicht lange Zeit Grund für Demütigungen, Diskriminierung und Schikane war. Ein Buch, das Mut macht Schönheitsideale in Frage zu stellen.
Anja Siouda fordert Toleranz gegenüber Menschen, die anders sind
Die Autorin des Buches nutzt ihre schriftstellerische Arbeit in vielerlei Hinsicht, um zu mehr Toleranz aufzurufen. Der Roman “Erdbeerzeit” beschreibt die Diskriminierung von übergewichtigen Menschen besonders lebensnah und authentisch. Es fällt schwer nicht mitzufühlen und besonders Frauen, die selbst schon einmal in ihrem Leben dem Diätenwahn verfallen waren, werden sich mit Angela, unserer Protagonistin, identifizieren können. Im Klappentext des Buches heißt es entsprechend:
“Im vorliegenden Liebesroman [schreibt die Autorin] über die Diskriminierung von Übergewichtigen, die Fixierung auf Äußerlichkeiten in unserer Gesellschaft und über eine Frau, die keine neue Diät, sondern sich selbst findet.”
30 Jahre und kein Fünkchen Selbstwert
Was muss passieren, damit Menschen Selbstliebe und gegenseitige Akzeptanz völlig selbstverständlich betreiben? Werfen wir einmal einen Blick auf unsere Protagonistin. Angela ist keine 30 Jahre alt, hat aber genug durchgemacht, um gleich zwei Menschenleben mit negativen Erfahrungen zu füllen: eine schwierige Kindheit und lieblose Eltern; frühe Schwangerschaft und das Kind verloren; eine Ehe mit einem gewalttätigen Mann und die ständigen Demütigungen und Diskriminierungen, die eigentlich nur Menschen kennen, die offensichtlich anders sind als ihre Umwelt.
Angela hat Übergewicht und mit der Zeit gelernt, sich und ihren Körper zu verachten. Ihr Mann tut es ihr gleich, behandelt sie sehr schlecht und treibt sie damit beinahe in den Selbstmord.
Irgendwann schafft es Angela trotz der widrigen Umstände den Mut zu fassen, sich in einem Pflegeheim um eine Aushilfsstelle zu bewerben. Die Entscheidung stellt sich schnell als Rettungsanker heraus und Angelas Entwicklung nimmt positive Bahnen.
Bibliotherapeutische Gedanken zum Buch
Ablehnung ist wohl eine der schlimmsten Dinge, die wir einem Menschen antun können. Das Grundbedürfnis nach Anerkennung und Liebe ist dermaßen fundamental, dass ein Mangel daran viel mehr zerstört, als wir uns vorstellen. Unsere Protagonistin Angela hat schon Diäten durchgemacht, als sie noch nicht übergewichtig war und “nur” den unangemessenen Spitzeleien und Spott ihres Vaters ausgesetzt war.
Angela erinnert sich an ihre Pubertät und dass sie bei gleicher Größe nur halb so viel wog:
“Wenn sie doch nur das Rad der Zeit zurückdrehen könnte und wieder dieses Gewicht hätte. Dann wäre sie glücklich. Warum war sie es aber damals nicht gewesen und hatte angefangen, eine verrückte Diät nach der anderen auszuprobieren?”
Was alles danach passiert wirkt teils überspitzt, mal kitschig und an der ein oder anderen Stelle auch recht stereotyp, aber der Botschaft des Buches schadet diese Stilform in meinen Augen nicht. Vielmehr kann ich mir vorstellen, dass die Autorin Anja Siouda sehr bewusst bestimmte Extreme in ihrem Buch verwendet: eben um für mehr Toleranz und Verständnis zu sensibilisieren.
Besonders Angelas Gefühlswelt wirkte für mich während der Lektüre zu jedem Zeitpunkt authentisch.
“Mit einem Mal fiel es Angela wie Schuppen von den Augen, dass sich Benno genau jene Frauen aussuchte, die sich aufgrund ihres Gewichtes unsicher fühlten und sich alles von ihm gefallen liessen: seine Demütigungen und Niederträchtigkeiten, mit denen er sie jahrelang traktierte, sie fertigmachte, bis er sie entweder in die psychiatrische Klinik oder in den Sprung vom Balkon trieb.”
Und ich glaube, dass betroffene Leserinnen und Leser diese extreme Darstellung ihrer Schmerzen und Ängste gar nicht so extrem finden werden. Demütigungen, Selbsthass – Angela zeigt, dass es einen Weg aus dieser Spirale gibt.
Es gibt einen Weg aus der Negativ-Spirale
Für Angela beginnt der Weg aus der Negativ-Spirale mit ihrer Bewerbung auf eine Aushilfsstelle im örtlichen Pflegeheim.
“Die Heimleiterin wirkte etwas distanziert, aber freundlich, und vor allem schaute sie Angela von Beginn an und während des ganzen Gesprächs in die Augen. Irgendwie kam es Angela vor, als sie dies das erste Mal in ihrem Leben, dass jemand nicht zuerst ihre Fülle betrachtete und nicht bereits beim Händeschütteln die Augenbrauen missbilligend in die Höhe zog.”
Ich glaube, dass nur jemand, mit ähnlichen Minderwertigkeitskomplexen diese Art zu denken nachvollziehen kann. Diese Angst, immer und bei jeder Begegnung auf den eigenen Makel reduziert zu werden. Im Pflegeheim passiert ihr das nicht. Die neue Arbeit gibt Angela Struktur, sie lernt andere starke Frauen kennen, die es auch nicht leicht hatten und ihren Weg gegangen sind.
Trotzdem Hilfe annehmen
Aus meiner Sicht gibt es im Buch eine ganz klare Linie: Es geht darum, das eigene Leben wieder in den Griff zu bekommen, Abhängigkeiten abzulegen und vor allem darum, trotzdem an richtiger Stelle Hilfe anzunehmen.
Es gibt Probleme, die lassen sich nicht ohne Unterstützung von außen lösen. Es gibt aber auch Herausforderungen, denen wir uns stellen können und Anja Sioudas “Erdbeerzeit” macht definitiv Lust, sich dieser Herausforderungen anzunehmen. Die Angst, nicht geliebt und akzeptiert zu werden, wenn du nicht den Anforderungen und Idealen der Gesellschaft entsprichst, kann dich in so vielen Lebensbereichen einschränken. Schön, dass es Bücher gibt, die solchen Idealen etwas entgegenstellen.
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Was ist Poesie-Therapie?
Was ist Poesie-Therapie?
Warum wir schreiben solltenWenn du nicht viel Zeit hast, um den ganzen Artikel zu lesen: Hier sind meine Top 3 Buchempfehlungen zum Thema Poesietherapie!
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Poesie-Therapie: Schreiben macht glücklich.
Die meisten von uns haben bereits einmal in ihrem Leben einen Brief verfasst oder zu einer bestimmten Zeit Tagebuch geführt und dabei eine gewisse Erleichterung erfahren. Hast du auch schon mal Gedanken zu Papier gebracht und dich allein dadurch schon besser gefühlt? Dann kann es sein, dass du – vielleicht ohne jemals davon gehört zu haben – bereits Poesie-Therapie betrieben hast. Kreatives Schreiben zeigt immer in irgendeiner Form eine therapeutische Wirkung. Für diese Vorgänge gibt es sogar einen wundervollen Fachbegriff: Poesie-Therapie oder auch einfach Schreibtherapie. In diesem Artikel erfährst du, was Poesie-Therapie ausmacht und wie du sie für dich nutzen kannst.
1. Was ist Poesie-Therapie? Definition und Ziele
Therapeutisches Schreiben bzw. Schreibtherapie
Die Grenzen zwischen kreativem Schreiben und therapeutischem Schreiben sind fließend. Selbst oder vielleicht gerade biografisches Schreiben kann als eine Form der Schreibtherapie angesehen werden. So bezeichnen wir jede Art von Schreiben als Poesie-Therapie, wenn sie zur Persönlichkeitsentwicklung und zum eigenen Wohlbefinden beiträgt. Festhalten lässt sich, dass den meisten Schreibprozessen eine therapeutische Dimension anhaftet. Denn Schreiben ist ähnlich wie Sprechen eine Form von Selbstausdruck. Vielleicht führst du selbst zur Zeit auch eines dieser Selbstcoaching-Journals. Auch dahinter versteckt sich eine moderne Ansatz therapeutischen Schreibens.
Warum Schreiben?
Menschen schreiben um…
- sich mitzuteilen.
- ihre innere Welt zu erkunden.
- sich auf eine Reise zu sich selbst zu begeben.
- dem Schmerz oder schwierigen Erfahrungen etwas entgegenzusetzen.
- Frieden zu finden und Wunden heilen zu lassen.
- die Hoffnung festzuhalten und sich ihrer später zu erinnern.
Der Möglichkeiten warum wir schreiben gibt es noch viele. Nicht alle beziehen sich auf ein Problem. Manchmal stellen wir uns schreibend einer Herausforderung, die durchaus positiv Aspekte besitzt. Persönlichkeitsentwicklung, Achtsamkeit und Selbstfürsorge spielen eine wichtige Rolle beim Schreiben.
Poesie-Therapie ist eine Form der Kunsttherapie
Poesie-Therapie versteht sich als eine Form der Kunsttherapie. Der Kunsttherapie geht es, um sinnliche Wahrnehmung, die Entwicklung kreativer Fähigkeiten und darum, Menschen zu ermöglichen ihre innere Gefühlswelt in künstlerischer Form auszudrücken. Vielleicht hast du selbst schon mal etwas gebaut, gemalt oder in irgendeiner Form geschaffen und hast dabei bestimmte Emotionen in dir aktiviert. Musiktherapie beispielsweise ist ein Teilgebiet der Kunsttherapie. Ein bestimmter Song oder das selbständige Musizieren können individuell Einfluss auf deine Gefühls- und Gedankenwelt nehmen. Und genauso wie die Bibliotherapie, bei der es um das Lesen von Büchern für das eigene Wohlbefinden geht, ist auch die Poesie-Therapie eine Form der Kunsttherapie. In bestimmten Situationen und bei verschiedenen Herausforderungen vermag das Aufschreiben von Gedanken und Geschichten deine psychische und körperliche Gesundheit zu stärken.
Schreibtherapie, obwohl ich gar keine Therapie möchte?
Im Artikel zur Bibliotherapie habe ich darauf hingewiesen, dass eine Bibliotherapie im Rahmen einer professionell-angeleiteten Therapie unterstützend wirken kann; Menschen können aber auch für sich und ohne Begleitung zu einem Buch greifen und von der positiven Wirkung des Lesens profitieren. Ähnlich verhält es sich mit der Poesie-Therapie, jedoch mit ein paar Einschränkungen und Anmerkungen. Beim Aufschreiben eigener Gedanken und Gefühle liegt der Fokus auf uns selbst und unserem Befinden.
Deshalb rate ich dazu, den bewussten therapeutischen Einsatz von Schreibmethoden im Falle negativer Gefühle oder Störungen mit Krankheitswert professionell betreuen zu lassen. Poesie- und Schreibtherapeuten sind in der Lage, den Prozess sinnvoll zu lenken und dafür zu sorgen, dass tatsächlich ein therapeutischer Mehrwert entsteht. Nicht immer ist die schreibende Beschäftigung mit unseren Ängsten und Nöten ansonsten hilfreich. Beim Schreiben sind wir stärker als beim Lesen bei uns und damit vielleicht auch näher an unseren eigenen belastenden Problemen.
Weiter unten findest du Informationen über eine mögliche Ausbildung zur Poesie-Therapeutin/Schreibcoach. Dort kannst du auch Listen einsehen, wenn du dich an eine ausgebildete Schreibtherapeutin bzw. an einen Schreibtherapeuten wenden möchtest. Bei Themen und Situationen, die keinen Krankheitswert besitzen, kann Poesie-Therapie natürlich auch ganz intuitiv betrieben werden. Hilfsmittel dafür, wie Schreibmethoden, Arbeitsbücher und konkrete Anleitungen, finden sich in der Fachliteratur und im Internet zahlreich.
2. Geschichte und Verbreitung der Poesie-Therapie
Ungefähr um 400 n.Chr. lebte Augustinus, ein Geistlicher und Philosoph, der in seinen “Bekenntnissen” seine eigene Lebensgeschichte schreibend aufarbeitete. Die schriftliche Auseinandersetzung ermöglichte Augustinus die Verarbeitung seiner Sorgen. Er zeigte, wie auch viele andere SchriftstellerInnen vor und nach ihm, dass das Schreiben auch den Weg zu der eigenen individuellen Identität bahnt. Augustinus betrieb Selbstheilung durch das Schreiben und wird deshalb in der Geschichte der Poesie-Therapie oft als erstes genannt.
Weiterhin stehen auch große Namen wie Jean-Jacques Rousseau, Immanuel Kant oder Rainer Maria Rilke für das therapeutische, selbsterkennende Schreiben. Der Psychologe Sigmund Freud leitete später einen Wendepunkt ein: mit seiner freien Assoziation und dem Dreischritt “erinnern, wiederholen und durcharbeiten”. Sein Bekannter Alfred Adler entwickelte eine eigenständige Lehre und integrierte u.a. das Aufschreiben autobiografischer Inhalte in die Therapie. Seiner Ansicht nach, vermochte das Schreiben wichtiger Lebensinhalte Erkenntnisse darüber zu gewinnen und darüber hinaus sogar die Möglichkeit aufzutun, störende Handlungsmuster zu korrigieren.
Der Amerikaner James W. Pennebaker untersuchte Ende des 20.Jahrhunderts den Einfluss expressiven Schreibens auf die psychische und körperliche Gesundheit. Mit positiven Ergebnissen. Insgesamt lässt sich festhalten, dass Poesie-Therapie in den USA und anderen englischsprachigen Ländern noch etwas stärker etabliert ist als hierzulande. Dennoch erlebt die Schreibtherapie, ebenso wie die Bibliotherapie, in den letzten Jahren eine neue Aufmerksamkeit, die sich in zahlreichen Veröffentlichungen und Veranstaltungen wiederspiegelt. Und obwohl Poesie-Therapie hierzulande für sich genommen noch keine Anerkennung durch die Krankenkassen findet, kann sie in eine anerkannte und geförderte Therapie integriert werden.
3. Methoden, Wirksamkeit und Anwendung der Poesie-Therapie
Regelmäßiges Schreiben
Beim Schreiben werden die Erfahrungen, die man gemacht hat, verarbeitet und neu gestaltet. Wer regelmäßig schreibt kann über diesen Prozess unbewusst die eigenen Wünsche, Ängste und Neigungen entdecken, denn der wiederholende Schreibprozess führt dazu, dass ähnliche Themen und Gedanken auftauchen.
Tagebuch schreiben und Selbstcoaching-Journale
Eine besondere Form des regelmäßigen Schreibens sind Selbstcoaching-Tools, Bullet-Journals oder auch Tagebücher. Zum Teil sind dies traditionelle, zum Teil aber auch sehr moderne Ansätze therapeutischen Schreibens. Sie stellen eine Form der Selbstreflexion dar.
Tagebücher erfüllen hin und wieder die Funktion des “seelischen Mülleimers” und können zumindest in gewissem Rahmen zeitweilig die fehlende Gesprächspartnerin oder den Gesprächspartner ersetzen. Indem solche “Tools” zur Selbstreflexion und Strukturierung beitragen, helfen sie auch komplizierte Situationen besser zu verstehen und zu bewältigen.
Was passiert beim Schreiben?
Ilse Orth, eine der Begründerinnen der Poesie- und Bibliotherapie im deutschsprachigen Raum hat davon gesprochen, dass Bücher das “Unsagbare” sagbar machen. Der Umweg über das Papier ermöglicht das Festhalten intensiver oder sogar schwierige Gefühle und diese können so leichter verbalisiert werden. Schreiben eröffnet einen Zugang zu Kreativität, verbale Kommunikationsgrenzen werden überwunden durch die Verwendung von Methaphern, sprachlichen Bildern und Fantasien. Vielleicht werden sogar erst gewisse Erinnerungen assoziativ geweckt und können dadurch überhaupt untersucht werden.
Nachlesbare Ergebnisse
In einem Gespräch verlieren sich viele Informationen. Beim Schreiben hingegen erhältst du ein Ergebnis auf das du später nochmal zurückkommen kannst. Das Schreiben bewahrt und dokumentiert und dient damit auch als Schutz vor dem Vergessen. Diese Ergebnisse lassen sich natürlich noch weiterentwickeln und müssen nicht starr sein.
Schreibwerkstätten
Nicht jeder Mensch möchte eine Therapie machen oder allein zu Papier und Stift greifen. In Schreibwerkstätten an Volkshochschulen, Urlaubsorten oder in der Nachbarschaft werden kreative Schreibprozesse in kleinen Gruppen vollzogen. Zwar haben solche Vorgänge in den meisten Fällen eine therapeutische Wirkung, jedoch sollten sie nicht als Ersatz für eine Psychotherapie angewendet werden. Wenn dich eine Poesie-Therapie interessiert, wäge bitte gründlich ab, ob professionelle Hilfestellung angezeigt ist oder nicht.
Sollten deine Bedürfnisse oder Herausforderungen keinen Krankheitswert aufweisen, kannst du auch Schreibübungen aus Büchern heranziehen. Die Poesie-Therapeutin und Autorin Silke Heimes hat dafür hilfreiche Ratgeber veröffentlicht. Eine kleine Auswahl findest du in den Quellen.
Positive Themen
Wenn du ohne Anleitung und in Eigenregie Poesie-Therapie betreibst, ist es ratsam, dich auf positive Themen zu konzentrieren. Andererseits können negative Gefühle verstärkt und gefestigt werden. Kurze aufrüttelnde Impulse können auch bei schwierigen Themen gut tun, aber über einen längeren Zeitraum sollten sich die Schreibprozesse auf Hilfreiches, Hoffnungsvolles und Erbauliches konzentrieren. Auch sollte das Schreiben nicht der dauerhaften Flucht aus der Wirklichkeit dienen. Aber das ist sicher selbsterklärend.
Arten des Schreibens
- Kreativ-biografisches Schreiben
- Kreatives Schreiben zur Entwicklung des Schreibstils
- kreativ-therapeutisches Schreiben → Poesie-Therapie
Professionell begleitete Poesie-Therapie
Schreibtherapie kann sowohl in der ambulanten als auch stationären Therapie zum Einsatz kommen. Auch in der sozialen Arbeit mit Jugendlichen findet sie Anwendung. Schreiben dient in diesem Zusammenhang der sozialen Integration, der Selbstwertförderung, der Entwicklung kommunikativer Fähigkeiten und der Erkundung persönlicher Empfindungen. Auch in der Gerontologie und der Trauerbegleitung können angeleitete Schreibprozesse wirksam genutzt werden.
Coaching in den verschiedensten Bereichen hat erkannt, welche Bedeutung Schreibübungen zukommt und welche Macht der zielgerichtete Einsatz kreativer Methoden hat. Schreiben wirkt sehr individuell. Kognitive Wahrnehmung, Emotionen und körperliche Empfindungen werden bei allen Schreibenden unterschiedlich ausgelöst. Grundsätzlich lässt sich aber festhalten, dass Schreiben folgenden Funktionen dienen kann:
- Klarheit gewinnen
- Gedanken ordnen
- Distanz schaffen
- neue Zugänge zum Erlebten ermöglichen
- Horizonterweiterung
- Gewinn von neuen Perspektiven und Blickwinkeln
Abgrenzung Poesie-Therapie und Bibliotherapie
Wenn du hin und wieder auf Literaturpower surfst, dann weißt du wahrscheinlich, was Bibliotherapie ist und wie du sie für dich nutzen kannst. Falls nicht, kannst du es hier nachlesen. Umgangssprachlich werden beide Begriffe hin und wieder synonym verwendet, was aber nicht ganz richtig ist. Der Poesie-Therapie geht es um den aktiven Vorgang des Schreibens. Bei der Bibliotherapie wird vor allem gelesen. Beiden Anwendungen geht es um die heilsame Kraft die in Poesie und Literatur steckt.
4. Ausbildung und Weiterbildungsmöglichkeiten
Zahlreiche Universitäten und Institute bilden Ausbildungsmöglichkeiten im Rahmen des kreativen Schreibens an. Google verrät da gerne mehr. Zu lang wäre eine vollständige Liste an dieser Stelle. Ich möchte jedoch auf eine besondere Ausbildungsmöglichkeit hinweisen, die über kreatives Schreiben hinausgeht. An der Europäischen Akademie für psychosoziale Gesundheit können sich Poesie-Therapeutinnen und Therapeuten umfassend ausbilden lassen.
Ilse Orth selbst ist in die Leitung der Weiterbildung eingebunden. Auf der Homepage des Institutes findet sich folgende Aussage zum Anwendungsgebiet: Poesie- und Bibliotherapie könne “zur Beratung bei der Bewältigung von Lebenskrisen, der Unterstützung bei Behandlungen psychischer und psychosomatischer Erkrankungen, in der Förderung von Gesundheit, Kreativität, humanem und ökologischem Bewusstsein eingesetzt werden. Selbstverständlich sind in dieser Weiterbildung auch Menschen willkommen, die diese Erfahrung zunächst nur für sich persönlich nutzen wollen.”
Der 1984 gegründete Berufsverband der deutschsprachigen Gesellschaft für Poesie- und Bibliotherapie, kreatives Schreiben und Biographiearbeit bietet eine umfassende Übersicht ihrer Mitglieder. Solltest du also eine professionell begleitete Poesie-Therapie in Erwägung ziehen, findest du auf der Homepage der DGPB eine Liste von anerkannten Poesie-Therapeutinnen und Poesie-Therapeuten. Die DGPB bemüht sich um qualitätssichernde Standards in der Aus- und Weiterbildung.
Die oben genannte EAG ist die einzige deutschsprachige Akademie, die derzeit diesen Standards offiziell entspricht. Die komplette Weiterbildung am EAG kostet um die 5000€ bis 6000€. Die Ausbildung umfasst eine Grundstufe (4×4 Tage), eine Aufbaustufe (4×4 Tage) und eine Zertifikatsstufe (2×4 u. 1×3 Tage). Eine zusätzliche therapeutische Qualifizierung (3×4 Tage) ist Menschen mit professioneller therapeutischer Ausbildung vorbehalten (Approbation, ein Abschluss in einem anerkannten Heilberuf, Zulassung zum/zur HeilpraktikerIn für Psychotherapie). Die kompletten Informationen findest du unter diesem Link: https://www.eag-fpi.com/kurzzeitausbildungen/kreativ-kunst-musiktherapie/poesie-bibliotherapie/.
Darüber hinaus gibt es natürlich noch andere Weiterbildungsmöglichkeiten, die bibliotherapeutische und poesie-therapeutische Inhalte beinhalten. Du solltest bei deiner Auswahl aber immer auf seriöse Anbieter achten. Weitere Möglichkeiten, dich über Poesie-Therapie zu informieren findest du nicht zuletzt im englischsprachigen Raum.
5. Fazit
Schriftstellerinnen und Schriftsteller wissen um die Macht des Schreibens. Sie schreiben nicht etwa zum Spaß oder aus einer Laune heraus. Sie schreiben, weil sie eine Notwendigkeit zu schreiben verspüren. Und egal ob du diese Notwendigkeit auch spürst oder noch nicht: Probier’ es aus. Schreiben kann positiven Einfluss auf dein Wohlbefinden haben und dir Erkenntnisse über dich liefern, die bislang verborgen blieben. Vielleicht beginnst du mit einem kleinen Dankbarkeitstagebuch oder einer kreativen Schreibübung aus einem der untenstehenden Bücher. Der Möglichkeiten sind viele und ich hoffe, dass du ein paar interessante Einblicke gewinnen konntest.
Bleistift, Papier und Bücher sind das Schießpulver des Geistes. Neil Postman
Diese Bücher gibt es über Poesie-Therapie:
Poesie und Therapie. Über die Heilkraft der Sprache (Ilse Orth, Hilarion Petzold (Hrsg.) 2005)
Ein Buch muss die Axt sein. Schreiben und Lesen als Selbsttherapie (Helmut Koch, Nicola Keßler 2002)
Von der Seele schreiben. Auf Entdeckungsreise zu mir selbst (Tania Konnerth 2015)
Entdecke dich: Das Achtsamkeits-Journal (Brower, Knüllig 2018)
Schreib es dir von der Seele. Kreatives Schreiben leicht gemacht (Silke Heimes 2015)
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Kann es sein, dass die Menschen um dich herum Geheimnisse hüten, die für dein Leben von großer Bedeutung sind?
Wohin führt dich das Leben?
Woher kommt all diese Unsicherheit?
Manchmal sind wir auf der Suche nach Antworten deren Fragen wir nicht mal kennen und diese Antworten können für uns die Welt bedeuten.
Hin und wieder lese ich Bücher und denke bereits in einer frühen Lektüre-Phase, wie schön es ist, dass mal nicht so viel passiert: keine Schicksalsschläge, welche die Stimmung trüben und keine unvorhergesehenen Plottwists.
Dann, fast immer, zum Ende hin, werde ich eines Besseren belehrt. Der Schrecken trifft mich unvorbereitet. Und umso härter.
„Die Farben des Nachtfalters“ von Petina Gappah
In “Die Farben des Nachtfalters” von Petina Gappah war das aber nicht so. Es passiert schon am Anfang viel. Und die Schicksalsschläge lassen auch nicht lange auf sich warten. Die Stimmung beim Lesen, das kann ich mit Fug und Recht behaupten, ist von Anfang an bedrückend und nicht zuletzt deshalb möchte ich alle Leserinnen und Leser ironiefrei vor der Lektüre warnen, wenn sie mit Gewalt, Mord und Hass in Büchern nicht gut umgehen können.
Es sterben Kinder, manchmal werden sie auch ermordet; Frauen schikanieren und schlagen andere Frauen; Rassismus tritt zu Tage und aufgrund all dieser Gräueltaten, die das Buch beleuchtet, wollte ich mehrmalig die Lektüre beenden. Nicht, weil Petina Gappah keine gute Autorin ist. Sie ist begnadet. Auch nicht, weil ich Gefängnisromane schlecht verarbeite – das habe ich schon mit dem Artikel “Wenn die Schuld kaum zu ertragen ist” überwunden. Literarisch habe ich immer einen großen Bogen um Psychothriller, Horror oder Gruselgeschichten gemacht, aber eigentlich weiß ich, dass die wahren Grausamkeiten das Leben selbst schreibt.
Petina Gappah gelingt es mit ihrem Roman, die Leserin und den Leser genau diese Ohnmacht und Verzweiflung spüren zu lassen, die Memory, unsere Protagonistin im Frauengefängnis in Simbabwe spürt, während sie auf ihr Urteil wartet und all ihre Erinnerungen (wie passend zu ihrem Vornamen) aufschreibt.
Wie wichtig Vornamen und ihre Bedeutung im Buch sind, sei hier nur am Rande erwähnt. Lieber komme ich schnell auf das Kernproblem zu sprechen: “Eine so hübsche junge Frau”, sagte sie. “Du siehst echt nicht übel aus, abgesehen von, na du weißt schon. Jedenfalls machst du das Beste draus, das muss man dir lassen. Und mal ehrlich, warum solltest du sonst bei einem weißen Mann wohnen, so ganz allein, nur ihr beide in dem Riesenhaus?” Diese Sätze hört Memory im Gerichtssaal von offizieller Seite.
Fragen, deren Antworten so weit entfernt sind
Memory wurde als schwarzer Mensch mit Albinismus geboren und wurde von Geburt an als Außenseiterin behandelt.
“Ich sehnte mich danach, zu sein, wie alle anderen. Ich versuchte, so dunkel zu werden wie die anderen Kinder. Ich wollte dazugehören. Ich verspürte einen heftigen, lodernden Neid auf jeden, der mir begegnete.”
Dieser Neid macht auch, dass Memory auf alle anderen, die ebenso anders sind wie sie, mit großer Abscheu reagiert. Während diese versuchen, sich mit ihr zu solidarisieren, meidet Memory jegliche Auseinandersetzung mit ihrer Rolle als Aussätzige.
Im Alter von neun Jahren geben die Eltern sie fort. “Ich war neun Jahre alt, und Vater und Mutter verkauften mich an einen fremden Mann.”
Mit diesem vermeintlichen Verkauf an den fremden Mann Lloyd entstehen Fragen, die Memory ihr Leben lang nicht mehr loswird. Im Gefängnis – Memory wird als erwachsene Frau vorgeworfen Lloyd ermordet zu haben – sitzt sie in Einzelhaft und schreibt alles auf, was sie weiß und was sie eben auch nicht weiß.
“Also denke ich über mein Leben nach, arbeite die Ereignisse aus, die mich hierhergeführt haben, immer wieder aufs Neue, ordne und gestalte sie in einem endlosen Kreislauf um: Was wäre gewesen, wenn?”
Memory hat als junges Mädchen die Erfahrung gemacht, sich nirgends richtig akzeptiert zu fühlen.
In einem Buch über Resilienz habe ich vor kurzem gelesen, dass es in der Kindheit allein einer einzigen nahbaren und liebevollen Bezugsperson bedarf, um eine gewisse Krisenresistenz aufzubauen. Für Memory war lange ihr Vater diese Bezugsperson, dann Lloyd. Trotzdem spielen die männlichen Figuren in der Geschichte keine Hauptrollen. Sie verkörpern Milde, Liebe, Zuwendung, aber die Konflikte treten vor allem zwischen den Frauen auf.
Nicht zuletzt dieser ungewöhnliche und gleichzeitig authentische Blickwinkel macht das Werk Gappahs zu einer sehr besonderen Lektüre. Trotz der Liebe, die Memory für ihren Vater verspürte, konnte sie nie verstehen, warum dieser sie weggab. Auch warum Lloyd das Mädchen aufgenommen, sich um ihre Bildung und Gesundheit kümmerte, war für sie nur schwer nachzuvollziehen.
Die Ungewissheit ist schwer zu ertragen
Ihr Selbsthass, die Wut auf ihre Vergangenheit und die unerträgliche Ungewissheit, hielten sie immer wieder davon ab, den Menschen, die ihr Gutes wollten, wirklich nahe zu kommen und sie zu verstehen. Über Lloyd und ein Geheimnis, das er verstecken musste, schreibt sie:
“Ich war nicht in der Lage, mich in ihn hineinzuversetzen, vermochte nicht zu erkennen, dass er in der Falle saß, dass er gezwungen war, eine Lüge zu leben.” Und eine Seite später: “Wäre ich reifer oder einfühlsamer oder großherziger gewesen, hätte ich vielleicht erkannt, dass Lloyd sich genauso radikal von seinem Umfeld unterschied wie ich und wie sehr uns das einte.”
Besondere Zufälle gestatten ihr später die lebenswichtigen Einblicke in ihre großen Lebensfragen. Sie erhält Antworten, auf die viele andere ihr Leben lang warten. Ich vermag nicht zu urteilen, ob diese Antworten die ersehnte Befreiung bedeuten, zwischen den Zeilen deutet sich so etwas an.
“Heute habe ich über den Birkenspanner nachgedacht. Genau wie dieser Nachtfalter musste ich meine Gestalt, meine Farbe verändern, um mich meiner Umgebung anzugleichen. Ich bin genau wie er blindlings hin und her geflattert, habe immer wieder die Farbe gewechselt im Bestreben, mich anzupassen, zu überleben. Vielleicht ist das ja schon genug – dass ich mich fürs Überleben entschieden habe. Dafür, wieder von vorne anzufangen, ob hier drin oder dort draußen, aber stets im Bewusstsein der Wahrheit. Vielleicht reicht das ja schon.”
Die Wahrheit zu erfahren, Antworten auf unsere großen und kleinen Lebensfragen zu erhalten, ist für viele Menschen ein Bedürfnis. Memory auf ihrer Suche zu begleiten, hat mir zumindest verständlich gemacht, warum dieses Bedürfnis so schwer wiegen kann. Und dass Antworten vielleicht nicht leichter zu ertragen sind, als die Unsicherheit der Unkenntnis.